Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 13
ist, sicli dessen selbst aber in keiner Weise bewuCt scbeint. So ist die Zeichnung
Steindors auch besonders eigenartig in der Stilgebung: der Dichter bietet alles
auf, um sich dieses Erdgeistes zu bemáchtigen und geht zu diesem Zweck bis da-
hin in der islándischen Schreibkunst ganz unbekannte Wege. Daher ist es zu
verstehen, daC seine Sprache gerade hier manchmal schwerfállig und ungelenk
wird.
Alle diese Hauptpersonen haben das gemeinsam, daC sie Fleisch vom Fleische
des Dichters sind: er ist ihr Schöpfer in des Wortes eigenster Bedeutung und
man spiirt hier und da, daC diese Schöpfung kein leichtes Werk gewesen ist. Da-
gegen wirken die meisten Nebenpersonen weniger neu geschaffen als nachge-
zeichnet, und einige von ihnen sind so durch und durch islándisch, wie sie es nur
sein können. UnvergeClich ist jenes alte Ehepaar, die gute alte Steinunn, die alle
Vorziige einer guten alten Frau besitzt, und ihr Mann, der ebenso alte, blinde
Eyjólfur, der die Menschenverachtung eines langen Lebens in einem kurz aus-
gestoCenen ,,Puh“ zusammenpreCt, mit dem er das ganze Dasein abtut. Oder
auch die Leute von der Heilsarmee Gudmundur Jónsson, Kadett, die alte Kráhe
Todda und die anderen. Am besten von allen aber ist doch wohl Kvia-Jukki, der
einzige Bauer in dem ganzen Buche, und zwar ein echter Bauer mit Schnupf-
tabak im Bart und in seinen Gespráchen immer nur voll vom Wetter, von der
Viehhaltung und den Aussichten fiir die Heuernte, klar und klug in allen Wirt-
schaftsdingen, aber ungliicklich in der Liebe.
Die meisten von diesen Personen lernt man bereits in dem ersten Buche ken-
nen, in dem zweiten Buch treten einige neue hinzu, so der neue Pfarrer, ein wiir-
diger Vertreter jenes optimistischen und seichtflieCenden Christentums, wie es
viele der heutigen Prediger auf den Lippen haben. Dann die Agitatoren wie der
Werkfuhrer Katrinus oder Beinteinn, der immer an dem Feuer zu finden ist, das
gerade am besten brennt. Oder der groCe Politiker Kristofer Torfdal, der einem
lebenden islándischen Politiker gut nachgezeichnet ist. Die Stárke des zweiten
Buches liegt jedoch eher in der seelischen Erfassung der Masse, wáhrend das
erste Buch reicher ist an scharfen Einzeldarstellungen. Den Rahmen des zweiten
Buches geben die politischen Ereignisse der letzten Jahre, die hier in áhnlicher
Weise dienhch gemacht werden, wie Upton Sinclair das in seinem Buch „Petro-
leum“ tut. Diese Ereignisse sind jedoch nur Nebenerscheinungen, die am poli-
tischen Horizont auftauchen: der Hauptgegenstand ist die Arbeitsweise der Agi-
tatoren und ihre Wirkung auf die Menge, die in den seltensten Fállen eigenen
Rat und Weg weiC und sich dann an die natiirlichen Zeichen hált, wie das, ob
der bessere Schnupftabak nun beim Ortskaufmann oder im Konsumladen zu
haben ist. Denn der Schnupftabak ist eine von den allerwichtigsten Lebensnot-
wendigkeiten auf so einer Versammlung. Das kommt práchtig heraus in der Un-
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