Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 14
terhaltung zwischen dem Buchhalter Magnus und dem Kadett Gudmundur,
einer Unterhaltung, die mit Politik heginnt, dann zu den tiefsten Fragen iíber
den Sinn des Lebens iiberspringt, um schlieBlich beim Schnupftabak zu enden.
„Denn wenn auch alles auf den Kopf gestellt wird — der Schnupftabak, der
bleibt, was er gewesen.“
Die Anlage des Buches steht in keiner Weise zuriick hinter der Darstellung der
Personen. Laxness versteht die Kunst, diese kleine Welt, in der nichts oder wenig
geschieht, auch ohne die iiblichen durchgehenden Yerwicklungen so zu gestalten,
daB man mit den Menschen lebt, ein Jahr nach dem anderen, und mit ihnen
Gutes und Schlechtes ertragt. Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daB
die Eaden, die in Wirklichkeit den ganzen Stoff zusammenhalten, die gegensatz-
lichen Kráfte sind, die der Schriftsteller immer wieder spielen láBt, sowohl in
dem inneren Verhaltnis der Personen zueinander als auch in der Brust des ein-
zelnen: so ist keine von den Hauptpersonen ein ungebrochenes Ganzes, alle tra-
gen sie die schweren Spannungen in ihrem Inneren. Nur ein Mann wie der Kauf-
mann Bogesen ist innen und auBen aus einem GuB, er weiB immer, was er will.
Und nicht nur die Personen láBt der Schriftsteller in den Spannungen der Gegen-
sátze erscheinen, sondern auch die Ereignisse und die Stimmungen. Laxness ist
in dieser Art, die Welt zu zeigen und ein Werk aufzubauen, durchaus modern.
Er erinnert hierin am stárksten an Hamsun.
Laxness’ Ursprtinglichkeit tritt jedoch am stárksten hervor in seiner Sprache
und seinem Stil. Man darf behaupten, daB seit der Zeit, als das Islándische unter
der Einwirkung der „Fjölnir“-Mánner1 die Fesseln des 18. Jahrhunderts abwarf,
es in der islándischen Stilgeschichte keine so schnelle und scharfe Zeitwende ge-
geben hat, wie sie durch die Biicher von Laxness, und zwar gerade durch die
hier besprochenen, heraufgefiihrt worden ist. Seit hundert Jahren hat nun auf
Island die Sprachreinigungsbewegung mit dem alten Islándisch und der Bauern-
sprache als Vorbild so gut wie allein geherrscht und die ganze Bewegung ist
eigentlich niemals zielbewuBter gewesen als gerade in den letzten Jahren. Sprach-
ámter haben daran gearbeitet, um all die vielen Dinge mit guten islándischen
Wörtern zu benennen, die der gesteigerte Handel und die junge Industrie in der
Fischerei und auf dem Lande in verwirrender Fiille iiber das Volk ausgeschiittet
hat. Zweifellos ist hier eine groBe und niitzliche Arbeit geleistet worden, auf der
anderen Seite láBt sich jedoch nicht ableugnen, daB diese Richtung eine Menge
von fruchtbaren Neubildungen in der Volkssprache des Landes und gerade auch
der Handel und Fischerei betreibenden Kiistenorte niedergehalten hat; vor
1 Eine Gruppe von islándisehen Dichtern und Schriftstellern, die seit 1835 durch die
Herausgabe eines Jahrbuches „Fiölnir1' hervorragenden Anteil hatten an der nationalen
Bewegung des 19. Jahrhunderts.
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