Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 15

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 15
allem, wenn diese Worte oder Wendungen auslándischen Ursprimgs waren oder zu sein schienen. Das hat die Schreibsprache der Schriftsteller gehemmt, sie ist in Gefahr gewesen, blut- und farblos zu werden, wáhrend sie zugleich vom Stand- punkt der Sprachreiniger aus vorbildlich und einwandfrei war. Laxness ist es seit langem klar gewesen, daB er hier nicht mitgehen konnte. Er konnte nicht die alte Sprache als einzigen MaBstab anerkennen, er brauchte etwas Neues und brauchte vor allem eine lebendige Sprache: er muBte einen Wortschatz haben, der seiner Gedankenwelt entsprach und der zugleich dieMen- schen und die Umgebung ausdriicken konnte, die er beschrieb. Er griff daher zu der Sprache, wie sie auf den Lippen der Bevölkerung in den Kiistenorten, vor allem in der Hauptstadt Reykjavik lebendig ist. Und siehe da: diese Sprache ist echt und kernig wie die Bauernsprache, nur noch blutvoller, sie duftet nach Fisch und Salz und Tang — trotz einer ziem- lichen Menge von Wörtern und Redewendungen, die deutlich auslándischen Ur- sprungs sind und deshalb bisher in der Schriftsprache nicht anerkannt wurden. Im Zusammenhang mit dieser Spracheroberung steht die Tatsache, daB Laxness’ Personenzeichnungen in diesen letzten Biichern sich in ihrer individuellen Pra- gung stark abheben von den Typen in dem Buche „Der groBe Weber“: die Spra- che gibt ihnen die persönlichen Zuge. Leider ist hier nicht der Ort, Laxness’ Stil genauer zu beschreiben; es muB hier die Behauptimg genúgen, daB er sich scharf unterscheidet von den meisten anderen islándischen Schriftstellern. Im Vergleich mit der gemessenen, ruhigen, einfachen Schreibweise, die die Mehrzahl der anderen islándischen Schriftsteller kennzeichnet, neigt Laxness’ Stil zu Ubertreibungen, er ist unruhig, gebrochen xmd sogar geschraubt. Seine Ubertreibungen sind natúrhch StöBe, die Laxness mit Absicht den sprachsteifen und einfáltigen Lesern versetzt, vor allem spiirt man seine Ellbogen da, wo der Gegenstand zu empfindsam werden könnte. Da tötet Laxness diese Empfindsamkeit mit grotesken Zúgen der Wirklichkeit und geradezu schreienden Gegensátzen. Oft entspringt dieses Widerspiel daraus, daB er eine ganze Reihe von Gesichtspuhkten zugleich anlegt, sie dairn plötzlich alle zusammen fahren láBt, so daB alles durcheinander geht und der gewöhnliche Leser sich sehr gestört fúhlt, wáhrend es den ergötzt, der an solchen Sprúngen seine Freude hat. Sehr oft zeigt Laxness das Geschehen vom Standpunkt der Handelnden selbst aus, und zwar sowohl in indirekter Rede wie im Dialog. So kann die Darstellung bald den Ton der Salka-Valka, bald den des Kadetts Gud- mundur, den der öffentlichen Meinung oder der Zeitungssprache tragen — mitten hinein platzen dann oft kurze Betrachtungen und Bemerkungen dcs Schriftstel- lers selbst, die oft mit groteskem Humor gesalzen sind. Humor und beiBende Satire spielen tiberhaupt eine groBe Rolle in dem Buch. Es ist beachtenswert, 79

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