Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Qupperneq 17
griindlicli gewachst werden. Nachdem wir ein sehr kraftiges Essen gekocht und
obendrein einen Topf dicken Haferbrei zum Mitnehmen gemacht hatten, zogen
wir um 19 Uhr 25 vom Lager Schneesturm ab. Von nun ab hatten wir unser Ziel
vor Augen. Der Firn war hart. Der Boden schien ganz unmerklich zu fallen. Das
Ziehen ging leicht. Frohgestimmt liefen wir im Gleichschritt nebeneinander, der
Sonne entgegen. Eine herrliche Polarnacht! Vor uns in der Ferne glitzerte das
Eis manchmal wie totes Meer. Kumuluswolken hingen iiher dem Innern und um
den Gipfel des groBen Snæfell. Im Osten schienen die Wolken unmittelbar auf
der Eisdecke zu liegen. Es wurde nicht mehr jeder Schritt gezahlt. Nur hin und
wieder eine Stichprobe gemacht: in 6 Minuten 500 Schritte. Seit 21 Uhr passier-
ten wir von Zeit zu Zeit langslaufende Kisse. Die Sonne zog langsam sinkend
nach N. Um Mitternacht, nach 5T/2 stundigem Marsche, waren wir múde und be-
schlossen zu lagern. Unser Haferbrei war eisig und nahezu gefroren. Aber was
machte das ? Die Sonne war im N hinter der Herdubreid versunken. Rot um-
randet von Wolken ragte er gleich einem loderndenFeuerberg in den unbeschreib-
lichen Wolkenhimmel. Unser Zeltplatz wurde daher „Lager Feuerberg“ getauft.
Am 24. Juni brachen wir um 21 Uhr auf. Die Wetterlage war die gleiche wie
in der vorigen Nacht. Úber den Inselbergen schwere Wolken, der Firn fest, wir
kamen wieder gut voran. Das Gelande fiel sachte. Die Kverkfjöllkette wurde
langsam gröBer. Dann wurde das Eis ziemlich holperig. Nach 23 Uhr trafen wir
zum ersten Male auf einen Schmelzwasserbach, der in einem kreisrunden Loch
unter der Oberflache verschwand. Allmahlich wurden es dann mehr. Zuerst waren
sie noch klein, so daB man geradewegs durchfahren konnte. Aber dann wurden
sie gröBer und tiefer. Wir muBten Bogen machen und kamen langsam weiter.
Wir hatten zuerst im stillen gehofft, in dieser Nacht den Rand des Gebirges noch
zu erreichen. Aber es wurde immer schlimmer, die Fahrt verlief im reinsten Zick-
zack. Vor uns eine endlose Anzahl von sich schlangelnden Bachen. Einer folgte
auf den anderen, canonartig ins Eis erodiert, 50—60 cm tief, verschieden breit
bis tiber Skilange. Die kleinen Bache wurden ohne weiteres genommen. Jedes-
mal gab es einen Bums im Schlitten. Bei den gröBeren wurde zuerst der Schlitten
herangeholt, dann muBten wir mit den Skiern hinúber und zuletzt kam mit einem
Ruck und Krach der Schlitten. Es kostete uns viel Zeit und Kraft. Je naher wir
dem Gebirge kamen — und das ging langsam — desto breiter wurden die Bache
und immer langer die Umwege. Wir muBten nach Engen und Schneebrúcken den
Bach entlang suchen. Einer fuhr aufwarts, der andere abwarts, oft 100 m weit.
Die Brúcken muBten stets erst geprúft werden. Manchmal brach’s ein. Dann
wurde der Schlitten herauf oder herunter gezogen. Meistens aber herauf. Beson-
ders unangenehm waren die Steilufer auf der anderen Seite. Der Schlitten muBte
mit Schwung herúbergeholt und oft deswegen die Skier abgeschnallt werden.
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