Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Qupperneq 22
nebel ringsum. Keine 10 Schritt weit zu sehen. Die Temperatur war schon wieder
auf etwas iiher Null gestiegen. Der Firn war feucht und klebte. Wir konnten die
Skier nicht benutzen. Der Schlitten lief jedoch leidlich. Mit einem Male hatten
wir den Eindruck, als ob wir im Kreise gingen. In der Tat, die Richtung war
falsch! Seit wann ? Jetzt nur Ruhe bewahren und systematisch die Richtung auf-
nehmen. Alle 200 Schritte wurde haltgemacht. Jeder muBte peilen. Ruhig die
Nadel ausschwingen lassen. Gegen 6 Uhr wurde durch den Nebel die fahlgelbe
Sonnenscheibe sichtbar. Wiirde sie siegen ? Kurze Zeit darauf war sie wieder ver-
schwunden. Alles wieder dick. Um 7 Uhr 20 machten wir halt, um zu lagern.
Die Hoffnung auf Sonne wurde aufgegeben. Den Zeltplatz nannten wir Lager
,,Nebelsieg“. So oft wir zum Zelt heraussahen: Nebel! Es ging wieder in die
Nacht, und immer noch lag dicker Nebel. Aber jetzt half nichts mehr, wir muB-
ten weiter. Nach 22 Uhr standen wir auf. Die Lufttemperatur war -f- 0,5 Grad.
Es wurde gekocht und grúndlich Wachs auf Ski und Schlitten gebrannt. Nach
dreisttindiger Lagerarbeit brachen wir um 1 Uhr 25 am 1. Juli auf. Der Schnee
war körnig. Die Skier glitten gut. Richtung nehmen, dann fing das Zahlen wieder
an. Nach 200 Schritten stop, peilen, weiter. Bald waren wir vorzúglich einge-
arbeitet. Wahrend ich zahlte, bekam Keil den grofien PeilkompaB. Schweigend
liefen wir nebeneinander her in den Nebel hinein. Unserer Schneebrillen wegen
sah man vom Nebenmann nur die sich im Gleichschritt vorschiebenden Ski-
spitzen. Bei 179, 180 hob ich jedesmal den linken Arm etwas vor. Keil zog den
KompaB hervor, machte ihn klar. 198, 199, stop. Wir standen. Die Nadel
schwang aus. Eine Handrichtung. Einen Augenblick halt nur. 1, 2, 3 — alle 10
,,stops“eine5-Minuten-Ruhepause. EintragunginsRoutenbuch. Die2000 Schritte
wurden durchschnittlich in 25—30 Min. zurúckgelegt. Gegen 3 Uhr wurde der
Nebel vor uns etwas dtinner. Langsam wurde es heller. Sonnenstrahlen drangen
durch. Nordöstlicher Wind hatte eingesetzt. Nacli 9000 Schritten vom Lager
Nebelsieg wurden im Súden einige Bergkuppen im Nebelvorhang sichtbar, gleich
darauf tauchten weit voraus schwache Umrisse eines groBen Berges auf. Die Sicht
wurde besser. Um 4 Uhr 15 erblickten wir zur gröBten Freude GoJaborg in
Marschrichtung. Mit doppelter Kraft ging es weiter. Das Gelande fiel. Die Pausen
wurden erst beim 15. stop eingelegt. Um 9 Uhr erreichten wir den FuB der Eis-
kette. Nachdem wir uns auf dem ausgebreiteten Zelt im Windschatten des
Schlittens sitzend an dem Besten, was unsere Yorrate noch aufwiesen, gestarkt
hatten, traten wir den Aufstieg zu dem Depot an. Wir mufiten unsere Steigeisen
dabei anlegen. Die Spalten machten uns viel zu schaffen. Ebenso hinderte ein
scharfer Wind, der durch einige Mulden und Pásse den Hang hinunter blies, zeit-
weise stark. Auf dem Steilhang unterhalb des Goiíahnúkur war stellenweise
unsere alte Schlittenspur noch erkennbar. Nach dreistúndiger Arbeit gelangten
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