Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 29
dem einen Löffel mit dem Bemerken, es sei nocli alter Tee. Das erwarmte die
Lebensgeister.
Wir entschlossen uns trotz der stark beschádigten Lebensmittel, die Reise,
die sich bei gutem Wetter in 5 Tagen bewerkstelligen lassen muBte, weiter
durchzufuhren. Die zu entbehrenden Sachen wurden zusammengesucht und
unseren beiden Begleitern, die sie in Sicherheit bringen sollten, gegeben. Es
war nicht sehr viel, aber darunter waren Keils Uhr und meine Voigtlánder-
kamera. Als die beiden in Dámmerung und Wolken heimwárts abzogen, wáre
ich am liebsten mit ihnen gegangen. Wir Zuriickbleibenden bereiteten die
Schlafstátte. Der zertrampelte Firnboden wurde etwas geebnet, Ski und
Stöcke hingelegt, dariiber Ölzeug und Sácke gebreitet und dann die Schlafsácke.
Es waren nur 2 Fellsácke da und 1 Kleppersack. Ich lielJ die beiden Islánder
losen. Hlödver, der Lehrer, zog den Kleppersack und kam somit in die Mitte.
Es war 2 Uhr 30, als wir uns schlafen legten. Wir lagen ungliicklich schief. Sturm
ballerte und knallte ans Zelt. Ich konnte trotz der gröBten Miidigkeit nicht
schlafen, dachte an das letzte Unwetter und horchte stets, ob das Zelt standhielt
und der Sturm sich nicht verstárkte. Die Islánder, die die Gefáhrlichkeit dieses
Lagerplatzes nicht miterlebt hatten, schienen zu schlafen.
Am 20. Juli brachen wir um 13 Uhr mit unserer ganzen Ausriistung auf. Der
von Reykjavík drahtlich bestellte neue Kilometerzáhler lieB sich nicht anbrin-
gen, da die Radnabe zu dick war. So war es wieder nichts mit der Wegmessung.
Die Temperatur war + 5 Grad, die Sicht schlecht, 5 Zehntel des Himmels be-
deckt, dazu nördlicher Wind. Meine beiden Begleiter zogen den Schlitten und
gingen zu FuB. Ich konnte skilaufen, aber es ging schlecht. Zunáchst marschier-
ten wir imseren alten Weg am FuB des Godahnúkur entlang. Am Steilhang und
im Spaltengebiet muBte ich am Schlitten helfen. Dann fuhren wir gerade vor-
wárts am westlichen Rande der Eishiigelkette weiter. Es ging langsam hinauf,
der Firn war weich, der Schlitten zu schwer beladen. Aus Leibeskraften muBten
wir uns abrackern und beschlossen daher, alles irgendwie entbehrbare Gepáck
an einer geeigneten Stelle zuruckzulassen. Da wir nicht den gleichen Weg zuruck-
kommen wollten, sondern fúr den Rúckweg der Lambatungujökull in Aussicht
genommen war, muBten wir also zunáchst dorthin. Fúr die Úberquerung des
trennenden Höhenrúckens wurde eine Mulde gewáhlt, die sich jedoch weit steiler
erwies, als von weitem schien.Nur mit vereinten Kráften gelang esuns, denSchlit-
ten hintiberzubringen. Um 17 Uhr 45 Min. lagerten wir am Hang zum Lambatun-
gujökull. Im Norden versperrte Nebel die Sicht. Nebelwolken zogen nach Súden.
Wáhrend vom Svínafellsjökull her, wie wir auf dem Marsche beobachtet hatten,
wieder Talnebel aufstiegen, war der Lambatungujökull frei davon. Dort aber
lagerten schwere Wolken, die sich langsam nach N bewegten.
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