Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Blaðsíða 30
Am 21. Juli riickten wir, ohne etwas gegessen zu haben, um 4 Uhr 10 ab. Der
Aufbruch war sehr schnell vonstatten gegangen. Wir liefien den Blechkoffer und
das nutzlose Rad auf dem Eise zuruck, nachdem wir eine rticksichtslose Auslese
getroffen hatten. Zurúckbleiben muBten u. a.: etwa 3/4 des nassen Brotes, einige
Kasedosen und Fleischkonserven, die die Islander verschmahten, der Kilometer-
zahler, 3 Thermometer, das Photostativ, ein Paar Schuhe und islándische Fell-
schuhe, mein Ersatzunterzeug, ein Paar Handschuhe, das einzige Handtuch der
Expedition, der 2. Brotbeutel, das nasse schwere Segel, ein bis zwei Sácke und
Stricke. Dadurch war der Schlitten wesentlich erleichtert. Da der Firn hart war,
konnten die Islánder allein ziehen, obwohl es bergauf ging. Wir muBten auf der
Höhe der Húgelkette entlang ziehen, weil es sich herausgestellt hatte, daB ein ge-
waltiger Gletscherbruch im oberen Lambatungujökull den Weg vollstándig ver-
sperrte. Nach zweistúndigem Marsche machten wir eine Zeltpause und kochten
Essen. Wir waren am nördlichen Ende der geschlossenen Húgelkette angelangt.
Von dem tiberragenden Standpunkt bot sich ein weiter, groBartiger Rundblick:
die vereiste Ostkette, Hofs- und Thrandajökull, Snæfell, Herdubreid, Dyngju-
fjöll, Kverkfjöll, nördlich der Kverkfjöllkette der Schildvulkan Trölládyngja.
Súdlich davon lieBen sich auf dem Vatnajökull 2 groBe weiBe, wahrscheinlich dem
Kverkfjöllshryggur angehörende Buckel wahrnehmen. Auch konnte man von hier
aus die Vergletscherung der Kverkfjöllkette selbst nocli deutlich erkennen. Wir
záhlten 9 Zungen, die von der oberen Eisfláche herunterhingen, ohne das Vatna-
jökulleis zu erreichen. Helgi sagte, daB die Gletscherzungen im Jahre 1926 gröBer
gewesen seien und das untere Eis erreicht hátten. Das wuchtige Snæfellmassiv,
umgeben von einer Reihe kleinerer Kegelberge und Bergkuppen, beherrscht das
Landschaftsbild im Norden. Es lag uns geradewegs in Marschrichtung in nicht
allzu groBer Entfernung gegenúber. Vor uns fiel das Gelánde ungewöhnlich steil
zu dem Eisplateau ab. Ungeheure Spalten machten hier einen Abstieg unmög-
lich. Im NW schob sich der breite Fácher des Brúarjökull weit in das innere
Hochland vor. Er schien ganz flach und schmutzbedeckt in einem dimklen Morá-
nenvorland zu enden. Nach N hin erstreckte sich der kurze, aber wildzerkltiftete
Eyjabakkajökull, der sich im W an den Brúarjökull anlehnt. Vor uns ragte noch
eine alleinstehende vereiste Bergkuppe, die stellenweise nackten, braunen Ge-
steinsboden zeigte, aus dem Eise heraus — wahrscheinlich der von Thoroddsen
nördlich des Vatnajökull im Moránenlande eingezeichnete „kleine Snæfell“. Es
gab fúr uns nur eine Möglichkeit, westlich dieses Berges und des Eyjabakkajö-
kull den Nordrand zu erreichen. Dies muBte der Karte nach zugleich der
einzige Punkt sein, von dem man, ohne mit den Gletscherflússen in Bertihrung
zu geraten, zum Snæfell gelangen konnte. Die Entfernung von dort zum Snæ-
fell konnte augenscheinlich keine 20—25 km, wie die Karten angeben, betragen.
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