Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 31
Um 8 Uhr 15 zogen wir weiter und waren der Spalten wegen gezwungen, einen
groBen Bogen nacli W zu maclien. Das Glas leistete vorzugliclie Dienste beim
Aufsuchen eines gangbaren Abstieges, der uns im Zickzack in die Tiefe fuhrte.
Unten war der Firn feucht und stellenweise mit braunem Gesteinsstaub bedeckt
aber zunachst noch spaltenlos. Westlich des Inselberges fingen die Spalten an.
Der Firn hörte auf, blankes Eis kam. Es begann zu regnen. Bald waren wir mitten
im Spaltengebiet der Gletscherzunge — Spalten und Brúche in die Kreuz und
Quer, wassergefúllt, schmale Búcken imd Grate, klare Eiswasserbecken. Wir
waren „in die Brúche geraten“. EinRtickwartsgabesnichtmehr. WirmuBtenver-
suchen, nach NW zu auf das flachere Eis des Brúarjökull zu gelangen. Eine tiefe
Eissenkung trennte uns von ihm, die Grenze zwischen den beiden Gletschern.
Dumpf rauschte Wasser. Ein GletscherfluB muBte dort unter dem Eise strömen.
Stundenlang múhten wir uns ab, aber es gelang. Um 13 Uhr 15 erreichten wir
glúcldich den Gletscherrand und die Nordmoránen. Der Gletscher war ganz be-
zwungen, wenn auch bloB an seiner schmalsten Stelle. Wir schlugen sofort unser
Lager nur wenige Meter vom Eisrand entfernt auf dem Moránenboden auf. Es
hatte den Anschein, daB auch hier wie an den meisten Schreitgletschern des Súd-
randes das Eis in der letzten Zeit zurúckgegangen sei. Moránenschutt, Geschiebe
und gewaltige Blöcke ringsmn. Alles nackt und kahl, nur in einigen Yertiefungen
entdeckten wir etwas Moos. Etwa 200 m westlich vom Lager in der Bucht, die
derEisrand zwischenEyjabakka- undBrúarjökull bildet, lag ein schmutziggelber
Moránensee, dem ein reiBender GletscherfluB entströmte. Der Eisrand fiel schrág
zum Wasser ein, auf dessen Oberfláche einige Eisbrocken schwammen.
Wir hatten wieder festen Erdboden unter uns. Die Sorge ftir trockene Unter-
lage beim Schlafen war daliin. Helgi legte sich krumm zwischen die Steine, ohne
nur auch einen Yersuch zur Wegráumung zu unternehmen. Wáhrend Hlödver auf
den Skiern schlief, bekam ich den Schlitten. Am folgenden Tage sollte Snæfell
erobert werden, das seit einigen Jahren vielen als Islands höchster Berg galt.
Am 22. Juli marschierten wir um 9 Uhr 25 vom Lager Nordmoráne gerade-
wegs in Snæfellrichtimg (N32 0 ohne Berúcksichtigung der MiBweisung) ab. Da
das Wetter gut war, lieBen wir entgegen unserer ursprúnglichen Absicht das
schwere Zelt zuruck, obwohl es höchst zweifelhaft war, im Notfalle die Rasen-
hútte, die irgendwo im Súden des Snæfell vorhanden sein sollte, zu finden. So
muBten wir den Weg, die Ersteigung und den Rúckmarsch zum Zelte in einem
Tage ausftihren. Wenn man fúr den Weg bis zum BergfuB 3 Stunden rechnete,
den Aufstieg mit 4 und den Abstieg mit 2 Stunden abschátzte und eine zwei-
sttindige Rast einbegriff, dann konnte man nach 14 Stunden wieder am Lager-
platz sein. Wir nahmen daher nur fúr einen Tag Lebensmittel, den Primus, einen
Topf, das Kletterseil, ein Paar kleine islándische Steigeisen, 2 Skistöcke, die Eis-
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