Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 33
Im Fljótsdalur erblickten wir den langen scbmalen Lagarfljótsee imd erkannten
durchs Glas 2 Höfe und eine Kirche. Nach Siiden hin war der ganze Nordrand
des Vatnajökull bis zmn Kistufell zu iiberschauen. Úber dem Inlandeis lag eine
Nebeldecke. Die Stirn des Eyjabakkajökull erstreckt sich weit nach Norden zum
Snæfell vor. Wir schatzten die kiirzeste Entfernung vom Eisrand zum Gebirgs-
massiv auf nicht mehr als 6 km. Das Snæfell liegt auf den Karten zu weit nörd-
lich! Das Stromgewirr der Eyjabakkafliisse glánzte wie silberne Bánder. — Wir
verweilten fast eine Stunde lang auf dem Gipfel. Dann ging es angeseilt hinunter,
rutschend die steilen Firnhánge und Rinnen hinab, zeitweise durch Nebel. Aber
wir hatten mis den Weg gut gemerkt und gelangten bereits nach einer guten
Stunde unten am Kochplatz an. Hier zerbrach das letzte Schleuderthermometer.
Nach einer kurzen Rast und Errichtung einer kleinen Warte traten wir um
19 Uhr 45 den Riickmarsch an, diesmal einen östlicheren PaB durch die Vorkette
wáhlend. Unterwegs entdeckten wir eine Renntierspur. Wir marschierten so
schnell wir konnten in KompaBrichtung auf unser Lager zu. Kalter Siidwind
blies uns vom Eise her entgegen. Ein herrlicher Abendhimmel leuchtete im Nord-
osten. Kurz nach 22 Uhr erreichten wir unser Zelt. Der Riickweg hatte nur
2x/4 Stunde gedauert, insgesamt waren wir nicht ganz 13 Stunden unterwegs ge-
wesen. Jetzt fiihlte ich, daB mein Hals ganz geschwollen war. —
Am 23. traten wir den Riickweg iiber das Eis an, der 4 volle Tage bei schlimm-
stemWetter in Anspruch nehmen sollte. Morgens fiel feiner, leichter Regen, alles
war in Grau gehiillt, die Sicht sehr schlecht. Um den steilen, glatten Eisrand,
der uns schon beim Abstieg Schwierigkeiten gemacht hatte, heraufzukommen,
mufite das Gepáck wieder verringert werden. Wir iiberlegten, was zuriickbleiben
konnte: eine Holzkiste, ein Paar Steigeisen, da meine islándischen Begleiter dar-
auf verzichten zu können glaubten — die Riemen wurden gerettet —, ein ver-
schimmelter Hartfisch. Selbst die Salzdose wurde bis auf einen kleinen Rest ge-
leert. Um 11 Uhr 15 verliefíen wir unseren Lagerplatz, zogen und schoben den
Schlitten miihsam den Eisrand hinauf. Um nicht wieder in den wildzerkliifteten
Eyjabakkajökull hineinzukommen, wandten wir uns im Bogen nach Westen dem
ebeneren Brúarjökull zu. Als das Gelánde flacher wurde, zogen die Islánder
allein, wáhrend ich auf meinen Steigeisen neben dem Schlitten herstolperte und
einmal bis zum Leib in eine Spalte hineinfiel, aus der mich Hlödver wieder heraus-
zog. Ich fúhlte mich gar nicht wolil. Es regnete und schneite durcheinander, dazu
stiirmte es aus Osten her. Von unserem kleinen Snæfell war nichts zu sehen.
Wir konnten iiberhaupt nur nocli wenige Meter weit sehen imd waren bis zu den
Hosen herauf durchnáöt. Sobald wir den Firn erreicht und in etwa aus den Spal-
ten heraus waren, muBten wir um 14 Uhr lagern. Es war ein Gliick, daB wir im
Zelt kochen konnten und noch reichlich Petrolemn besaBen, so daB wir unsere
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