Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Blaðsíða 34
Striimpfe wenigstens etwas wieder antrocknen konnten. Das Zelt war wie eine
Waschkiiclie ganz von Wasserdampf erfiillt. Mein Routenbuch weist neben eini-
gen Zahlen nur wenige Worte auf. Sauwetter, nafi, Angina, etwa 5 km zuriick-
gelegt. Um 20 Uhr 30 zogen wir weiter. Die Steigeisen und unsere Wasserflasche
wurden weggeworfen. Das Wetter hatte sich eher verschlechtert. Schnee, Regen,
Nebel, Schnee, Nordoststurm! Was niitzen da Siidwester, Kopfschoner und
Watte ? Es geht durch. In den Ohren saust es. Wir können uns nicht mehr nach
dem Kompafi richten. Wir fahren nach dem Sturm, der auf das linke Ohr und
in den Nacken saust. Jetzt habe ich meine Ölhose an. Das Wasser láuft daran
herunter, aber alles in Strúmpfe und Stiefel hinein. Die Islánder haben keine Öl-
hosen. Zuerst laufen wir zu Fufi ungefáhr 3 km, dann auf Ski etwa 4 km. Nach
24 Uhr wird gezeltet. Wir geben keine Lagernamen mehr. Vielleicht haben wir
12 km zuriickgelegt. Heute ist Sonntag, der 24. Juli. Noch Schnee, Regen, Nebel,
Schnee — Nordoststurm! Es gibt nur einmal zu essen: einen Topf Reisbrei und
Erbswurst. Heute hátten wir den Siidrand erreichen miissen. Spát in der Nacht
geht es weiter. Das Wetter ist das gleiche. Nordoststurm, keine 20 Schritt weit
zu sehen. Wir laufen angeseilt, als leichtester Mann ich vorweg, Helgi in der
Mitte und Hlödver zieht hinten den Schlitten. Schritte werden gezáhlt, nach
Sturm gefahren, aber auch nach Kompafi. Alles ist grau, auch der Schnee.
Schatten gibt es nicht. Vertiefungen und Erhebungen nicht zu sehen, man mufi
sie fiihlen. Es ist Montag. Spalten kommen. Nur ganz schwach angedeutet.
Schnee verweht. Aufierste Vorsicht. Rechts mufi das Gelánde immer etwas ab-
fallen, links steigen, das ist die Eishiigelkette. Wenn das Wetter sich nicht auf-
klárt, können wir gar nicht daran denken, unsere Kdste am Lambatungujökull
wieder zu suchen. Wir miissen irgendwie versuchen, am Svínafellsjökull herun-
terzukommen. Die Spalten laufen schrág zur Marschrichtung. Wir mussen sie
úberqueren. Erst langsam geprúft, Schneebrúcken halten. Wir werden immer
kúhner, sind ja zu dritt. Die Spalten und Brúcken werden breiter als Skilánge.
Wir mússen herúber, kann man das kúhn nennen? Da kommt eine Spalte, bei
der ich mir nicht getraue. Wir fahren lángs. Es geht sachte hinauf. Die Spalte
will nicht enden. Da taucht oberhalb von uns ganz in der Náhe aus verwehtem
Nebel ein Eelsen auf, dann ein zweiter. Das Gelánde beginnt plötzlich stark zu
fallen. Wir sind auf einer Kuppe. Riesige Spalten versperren den Weg. Wir
suchen. Es gibt keine Möglichkeit. Das Gelánde ist fremd. Wir haben uns ver-
fahren. tíber die Kuppe jagt der Sturm. Am Hang zelten wir. Das Zelt wird fest
verankert und rundum mit Schnee beworfen. Mit ihren nassen Hosen kriechen
die Islánder in die Schlafsácke. Hlödver hustet beángstigend. Ich kann kaum
noch schlucken. Heute ist Montag, der 3. Tag der Rúckkehr. Wir haben aller-
höchstens noch fúr 2 Tage zu essen. Daher essen wir fast nichts. Von Zeit zu Zeit
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