Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Qupperneq 41
konnte. Aber dank der Einfachheit aller Verháltnisse diente das Gesetz doch auch
den weiter und tief er gehenden biologischen Forderungen, die heute unter viel ver-
wickelterenV erháltnissen als Richtpunkte an die Spitze gestellt werden. Es ist auch
sehr wohl möglich, da£S die alten Islánder von dieser weiteren Wirkung ihrer Mafi-
regel gewufit haben, denn sie hatten fiir die biologischen Fragen, fiir Rasse und Ver-
erbung, einensehr guten Blick. Das geht aus vielenStellenihresSchrifttums hervor.
Das alte Gesetz sorgte allerdings nicht wie die modernen fiir planmáfiige und
einheitliche Durchfúhrung. Das konnte es nicht, und das mag ein grofier Mangel
sein. Aber es ist doch auch wieder ein Vorzug, da hierbei jede starre schematische
Handhabung ausgeschaltet wurde, die in diesen Dingen schlecht am Platze ist,
die aber bei einer streng planmáfiigen Durchfuhrung schwerlich ganz vermieden
werden kann. Fálle ungerechter Hárte wird es damals gewifi gegeben haben, aber
ganz ohne sie wird es auch heute kaum abgehen können.
Die besprochene Bestimmung der Graugans hat iibrigens ein merkwiirdiges
Gegenstiick in einer Geschichte, die sich vor etwa 8 oder 10 Jahren im Nord-
westen Islands zugetragen hat: Ein jvmger Arzt wollte es einmal mit einer Verjún-
gungsoperation versuchen und nahm dazu einen alten Mann, fur den die Armen-
fiirsorge, der hreppur, aufzukommen hatte. Die Operation gluckte, und der Alte
erlebte noch ein paarmal Vaterfreuden. Die Kinder aber fielen ebenfalls dem
hreppur zur Last. Da hat er den Arzt auf Zahlung der Mehrkosten verklagt, die
ihm die Verjungung verursacht hatte.
Die Bestimmung úber die Zwangssterilisation ist nicht das einzige Stúck im
áltesten islándischen Recht, das sehr modern ist. Es bestátigt sich wieder einmal,
dafi alles schon dagewesen ist. Ob es aber auch in Deutschland schon einmal Ahn-
liches gegeben hat, ist eine Frage, auf die wir keine Antwort wissen.
Zur Ura-Linda-Chronik
von Gustav Neokel
Wenn jemand eine Steinsetzung wegen ihres langlich-rechtwinkligen Grundrisses fiir die
Oberreste eines Tempelbaus erklárt und andere die Hugel in der Senne bei österholz wegen
der Áhnlichkeit des Landschaftsbildes mit den Königshugeln bei Alt-Uppsala fiir ein alt-
germanisches Heiligtum, so sind das Behauptungen, die schwer bewiesen, aber ebenso schwer
widerlegt werden können. Anders liegt es, wenn ein Laie sich auf das Gebiet der Sprach-
* forschung und Philologie vorwagt, von Wissenschaften also, die eine ausgebildete Methode
besitzen, und in denen es neben „Wahrscheinlich“ und „Unwahrscheinlich“ auch die Be-
griffe „í’alsch" und „Richtig" gibt. Dics ist der Fall des Urgeistesgeschichtlers Prof. Herman
Wirth alsHerausgebers und Anwalts der„Ura-Linda-Chronik“, die von den verschiedensten
Seiten uns als eine erlösende Geistestat empfohlen und angepriesen wird, in Wirklichkeit aber
ein im höchsten Grade fragwiirdiges Erzeugnis darstellt. Schon der Titel mufi den Fachmann
stutzig machen, denn er ist offenbar willkiirlich umgebildet aus hollándischem Over de Lin-
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