Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Side 48
Nun ruht der rastlose Forscher sehon 4 Jahre unter dem ktihlen Rasen. Der Dank aller
Fachleute ítir seine unermtidliche Arbeit wird seinen Namen lebendig erhalten.
Bucheranzeigen
Germanentum. Eine Gruppenbesprechung von Wolfgang Mohr
Hans Naumann, Germanisoher Schicksals-
glaube. Jena (Diederichs) 1934. 95 S.
Dr. Bernhard Kummer, Herd und Altar,
Wandlungen altnordischer Sittlichkeit im
Glaubensweohsel, Band I: Persönlichkeit
und Gemeinschaft. Leipzig (A. Klein) 1934.
183 S.
Hans F. K. Oúnther, Frömmigkeit nordischer
Artung. Jena (Diederichs) 1934. 43 S.
Walter Baetke, Art und Glaube der Germa-
nen. Hamburg (Hanseatische Verlagsan-
stalt) 1934. 79 S.
Beim Hintereinanderlesen der beiden neuen
Schriften von Naumann und Kummer stellte
sich in meiner Vorstellung sogleich jene Szene
der Edda ein, in der die Götter Thor und Odin
sich im Mannervergleich messen. — (Thors
Riesenkámpfe) „haben etwas Endloses und
zugleich Vergehliches an sich wie Menschen-
werk, sie helfen wie Menschenwerk fúr den
Augenblick, sie sind tapfer und etwas komisch
zugleich . ..“ (Naumann S. 39). — „Notwen-
digerweise genúgte eine Gottheit wie Thor,
.. . als Midgards Schtitzer und Riesentöter...
Aber Odin, . . . der rastlos tátige, schweifen-
de, sich wandelnde, verlangende, auch táu-
schende Geist“ entwurzelt den Menschen und
zerstört so die gesicherte germ. Kultur „Mid-
gards“ (Kummer S. 156). — Beiden Btichem
ist gemeinsam, daB es in ihnen weniger um
die Sammlung und Darstellung von Gescheh-
nissen und Tatsachen geht, als um ihre Deu-
tung. „Es handelt sich um den ersten Versuch
einer altgermanischen Philosophie", beginnt
H. Naumann. AuBerdem ist ihnen aher auch
gemeinsam, daB sich weder aus den Titeln
noch aus den Kapiteltiberschriften deuthch
erkennen láBt, was der Leser von dem Inhalt
erwarten soll. Deshalb wird eine kurze In-
haltsangabe notwendig.
H. Naumann stellt uns zu Anfang das my-
thische Weltbild der Wöluspaa vor die Au-
gen. Es ist das ins Kosmische vergröBerteBild
einer germanischen Siedelung, mit grúner
Wiese und umschlieBendem Walde, begrenzt
von Berg und Meer, mit umherliegenden Hö-
fen, durchströmt von Fltissen, bevölkert von
den Sippen der Götter; in ihrem Mittelpunkt
ragt der Baum, die Weltesche: das báuerliche
Bild der Geborgenheit. „Aber tiber diesem
ganzen Werke der Götter und der Menschen,
tiber diesem ganzen klaren Bau der Welt
hángt das unentrinnbare Schicksal des Unter-
gangs . . Zerstörende Machte lauem, und
im Abwehrkampfe gegen sie haben die schtit-
zenden Götter schon EinbuBe erhtten. Der
Gott Balder ist tot und es gelingt nicht, ihn
wieder der Hel zu entreiBen. Der Fenriswolf
ist gefesselt, doch Götter und Menschen wis-
sen, daB er einst frei werden wird. Nach einer
Kette schhmmer Vorzeiehen wird das Welt-
ende hereinbrechen, das Sehicksal der Götter.
Das ist das kriegerische Bild des bedrohhchen
Verhángnisses. „Aber weder das Nichts ist
vorstellbar noch das vöhige Ende.“ Die Welt
hebt und bevölkert sich neu mit Göttem und
Menschen. — So weit die Darstehung des
Weltschicksals.
Die náchstenbeiden Abschnitte stehenmehr
an den Randbezirken des Hauptthemas. Un-
ter den Uberschriften „Unsere ewigen Freun-
de“ und „Unsere lieben Frauen und Sehwe-
stem im Himmel“ spricht Naumann tiber die
Stehung der Götter und Göttinnen unterein-
ander und zu den Menschen. Die Darstellung
selbst ist nicht so einseitig wie die Uberschrif-
ten, von denen die zweite nicht nur sinn-, son-
dem auch stilwidrig ist, es vermuten lassen.
Aber selbst wenn man in den Begriff des
„Freundes“ den deB untreuen, verráterischen
Freundes mit hineinnimmt, wird er kaum
weit genug, um das Verháltnis Odins zu den
Helden, die er sich ftir Walhall erwáhlt, zu
umfassen. Da rtickt Odin weit hinaus aus ei-
nem Freundschaftsverháltnis, er wird der un-
heimliche Verkörperer des SchicksalB, vor
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