Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Side 49

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Side 49
dem der Todgeweihtefragend, anklagend und kámpfend steht. Zum SchluB wagt Naumann, die Briicke zu schlagen zur Gegenwart, von der Odin- und Weltende-Mythologie zur Philosophie Heideg- gers. Es ist nicht das erste Mal, daB Heidegger uns die Formel finden liefi fiir germanische Dichtung, die halbverstanden in unser Leben hineinragte (G. Fricke: Gefiihlund Schicksal bei H. v. Kieist, 1929). Mythendeutung durch Denkergebnisse Heideggers: Thor die Verkör- perung der „Vermeintlichkeit des Man“, Odin das Symbol der „Sorge“ — das ist geistreich und vielleicht mehr! Deutlicher aber werden die Beriihrungen, wenn auf den Erlebnisgrund sowohl des Mythos wie des philosophischen Systems von Heidegger hinabgestiegen wird. In beiden herrscht das BewuBtsein einer not- wendigen Tragik, eines Seins zum Tode. Bei- de lassen erkennen, daB zu der heldisehen Uberwindung der Tragik ihre BewuBtwer- dung notwendig gehört. Man könnte nochhin- zufiigen: Auch Heideggers Schuldbegriff láBt sich fruchtbar machen fiir die begriffhche Er- kenntnis der germanischen Schicksalstragö- die: Schuld als notwendiges Verschuldetsein an das Miteinander des Daseins, ohne den ge- ringsten Beiklang von „Siinde“, das ist die Lage, in die Hildebrand, Angantyr, Starkad hineingeworfen werden, die sie in voller Be- wuBtheit durchzukámpfen haben. „Nicht jeder Grieche konnte den Parthe- non erschaffen, aber nachdem ihn einer er- schaffen, empfanden alsbald auch alle andem, wie griechisch er war.“ — Dieses Wort des Fiihrers, das Hans Naumann an den Beginn seines Buches stellt, sollte der Leser stets im BewuBtsein behalten. Die Mythenschöpfung, welche im Mittelpunkt der Darstellung steht, ist das Werk eines groBen Einzelnen, vielleicht sogar eines Spáten und Einsamen. Es ist schichtenreich, hat viel Álteres in sich auf- genommen, das sich hier zum ersten Male in solcher Zusammenstellung trifft. Es ist nicht das Weltbild aller Germanen gewesen, wohl nicht einmal der meisten. Trotzdem sollte nie- mand dem Verf. vorwerfen, daB er seiner Synthese diese groBartigste Zusammenschau germanischen Glaubens zugrunde legt. „Herd und Altar“ von B. Kummer ist ein vollgestopftes Buch. Der Verf. scheint das Pech gehabt zu haben, daB er zu viele Bucher las, iiber die er sich árgem muBte. So wird seine Darstellung uberwuchert von Polemik, die oft genug (manchmal sogar zugegebener- maBen) nichts mit seinem eigentlichen AnUe- gen zu tun hat. Das Hauptthema scheint zu sein, die Gleich- stellung von Mann und Erau im germanischen Heidentum und den Zerfall dieses Verháltnis- ses unter dem Einflusse der christUchen Mis- sion darzutun. Im Germanischen gilt „die PersönUchkeit beiderlei Geschlechts, mit wei- tem Lebensraum und Blick und dennoch von innen her maBgebend gebunden und vor maB- loser AusgUederung zunáchst bewahrt“. In persönUchem Wirken (1. Kap.), im Verhált- nis zu Schöpfung und Natur (2. Kap.), in Fa- miUe und Jugendleben (3. u. 4. Kap.) stehen Mann und Erau geltungsgleich nebeneinan- der. Erst nach Einbruch der Mission wird es anders: Erotisiemng des Verhaltnisses, unter- driickte und wild hervorbrechende „SiindUch- keit“ lassen die Frau zum hingebenden Opfer oder zur erlösenden Madonna des Mannesher- absinken. Von Kriemhild-Gudrun fuhrt der Weg zu Gretchen. Denselben VerfaUsprozeB macht auch die MannUchkeit durch. Der bodengebundene, aber zugleich ins Weite ausschauende Bauer wird zum losgerissenen Abentcurcr und Wi- king und schUeBlich zum Raubtier oder Schiffbruchigen. Odin bricht in den gesicher- ten Thorglauben ein und bereitet das Sunder- bewuBtsein vor, das der Erlösung bedarf. Von Siegfried geht der Weg zu Faust. Kummers Kampf gegen den Köhlerglau- ben von der Frau als „Sache“, die erst im Laufeder christUchen Entwicklung desAbend- landes zur Persönlichkeit geworden sei, ist ge- wiB ein guter Kampf, wenn der Verf. auch mehr wirkUche oder vermeintUche Gegner zum Holmgang herausfordert, als der Muhe wert wáre. Das ganze Problem Uegt aber eine Stufe tiefer: Ein Herrscherverháltnis in der Ehe fáUt deshalb fort, weil es fiir den Ger- manen iiberhaupt den Begrif f des Befehls und Gehorsams nicht gibt im Verliáltnis von Mensch zu Mensch (kaum zwischen Freiem und Sklaven). Eine FehlerqueUe mussen -wir 111

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