Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Síða 55
wurden wach und wáhlten das Land zum
Schauplatz zerstörender Iiampfe. Kaum war
der Zornesausbrueh des Vatna -Vulkans etwas
abgeklungen — JTeuer und Rauch speit er
noeh heute (Ende August) —, als eine Erd-
bebenkatastrophe die Grundfesten des basal-
tischen Inselblockes erschiitterte, im Eyja-
fjördur Háuser stiirzte und 200 Menschen ob-
daehlos werden lieB. Kieine, lokale Beben
(meist auf Reykjanes) shid in Island, wie die
Berichte der Vecturstofa bestátigen, an der
Monatsordnung und werden dariiber hinaus
kaum weiter beachtet. Aber ein derartig hef-
tiges Beben wie das vom 2. und 3. Juni hat
sich im Lande nicht ereignet, soweitdie Men-
schen zuriickdenken können. Zu spiiren war
das Beben fast in ganz Island, am schwach-
sten im Siid- und Ostlande. Am stárksten
heimgesucht wurde der Eyjafjord und das
Svarfadartal. Das Eischerdorf Dalvík wurde
in Trúmmerhaufen gelegt. 20 Wohnháuser
sturzten dort ein oder wurden so stark be-
schádigt, daB sie unbewohnbar wurden. Ein
Wunder nur, dafi keine Menschenleben zu
beklagen Sind! East ebenso ist die Insel
Hrísey im Ejorde in Mitleidenschaft gezogen
worden. Dort wurden 5 Steinháuser zerstört,
die Kirche zersprang, so daB auf dor einen
Seite die Grundmauer abgerissen und der
Turm vom Gebáude abgetrennt wurde. Aus
der ganzenUmgegend und dem Svarfadartale
liegen Nachrichten von zerstörten und einge-
stúrzten Háusern, von zusammengefallenen
Stallungen und Schuppen vor. Der Schaden
ist allein in Dalvik auf 400000 Kronen ein-
geschátzt. Die betroffene Bevölkerung ist in
gröBteNot geraten. DaBeinnichtnochgröBe-
res Unheil angerichtet wurde, ist auf die nur
dúnn besiedelte Landschaft zurtickzufúhren.
Das Erdbeben setzte gegen Mittag ein.
Gleich die ersten Stöfie waren die zerstören-
den. Aus allen Háusem stúrzten die Menschen
in Todesangst ins Freie und getrauten sich
auch spáterhin aus Angst vor neuen StöBen
und nachtráglichem Zusammenfallen nicht
wieder in die noch stehengebliehenen Háuser
hinein. In der Tat folgten dem Hauptbeben,
dessen Dauer mit lx/2 Minuten angegeben
wird, unentwegt neue kleinere Beben. In
Hrísey zahlte man am 2. Juni 20 StöBe. Die
Bewohner waren gezwungen, sich in rasch
aufgebauten Zelten aus Fischplanen, Segeln
u. dgl. notdtirftig einzurichten. Sogleich wur-
den Hilfsaktionen und Sammlungen úberall
in Island eingeleitet.
Den ganzen Junimonat hindurch verfolgten
weitere Bebenschwarme die heimgesuchte
Gegend, vergröBerten mit Untersttitzung der
Winde den bereits angerichteten Schaden er-
heblich und machten die verángstigte Be-
völkerung vollkommen bebenmúde.
Die Stárke des Hauptbebens entspricht der
letzten Stufe 10 der Rossi-Torelschen Erd-
behenskala (alles stúrzt, Erdrutsche, Erdspal-
ten,Verwerfungen usw.). Soentstanden Erd-
spalten im Svarfadartal, am Árskógsströnd
von FuBlánge breit. An einigen Stellen sind
Erdhtigel aufgeplatzt. Beidem GehöftKrossa
ist ein Geröllfeld (melur) der Lánge nach in
Spalten aufgesprungen. Dort und besonders
am Böggvista ðagebirge wie an anderen Stellen
sind groBe Felsbruche und Rutsche festge-
stellt. Weiterhin wird gemeldet,daBdie StraBe
im Svarfadartal und auf Strönd sich an einigen
Stellen ,,umgedreht“ hat und die Brticken
eingesttirzt sind. Ein Bauer aus der Umgegend
von Dalvík berichtet, daB durch die Gewalt
des Bebens seine junggepflanzten Kartoffeln
wieder aus der Erde herausgeworfen sind. In
Húsavik war das Beben noch so stark, daB
Menschen auf der StraBe umgeworfen wur-
den. Auch in Akureyri, Siglufjörður und
Blöndúos rannten die Leute in Angst und
Schrecken ausden Háusern hinaus. Weiterhin
wurden Hausscháden in Ólafsfjord, Hjalteyri
festgestellt, wáhrend im Svarfadartale fast
sámtliche Gohöfte (etwa35) mehroder weniger
schwere Scháden erlitten haben. Doch sind
die unheilvollsten Wirkungen zweifellos in
Dalvík, in dessen Náhe das Bebenzentrum zu
suchen ist, hervorgerufen. Dort wurde das
Beben von einem derartigenKrach und Lárm
begleitet, daB die Dalvíker im ersten Augen-
blick glaubten, es habe sich eine gewaltige
Explosion ereignet.
Der Schrecken der Betroffenen wurde noch
wesentlich dadurch vergröBert, daBdieTtiren
háufig verklemmt oder durch Einsturz ver-
sperrt wurden, so daB die Eingeschlossenen
(zumeist Frauen) erst befreit werden muBten.
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