Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Page 72
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LE NORD
und in allen Fállen Hiilfe und Beistand leisten und sich ihren
Untertanen und ihren Armeen gegeniiber als Familienváter auf-
fassen sollten. Im Zeitalter der Suveránitát war die Armee noch
ein selbstándiges Glied neben den Staatsbiirgern. Der Zweck der
Allianz war also der Schutz der Religion, des Friedens und der
Gerechtigkeit, und die Fiirsten erklárten, dass sie sich nur als Ver-
treter der Vorsehung, Gott selbst aber als den wirklichen Herr-
scher iiber ihre zusammen »die christliche Nation« bildenden Völ-
ker betrachteten. Die Aufrechterhaltung des Friedens war also
der urspriingliche Hauptzweck der Allianz, und die zugrunde-
liegende Idee nicht nur eine christliche, sondern in gewissem Sinne
auch eine »nationale«.
Die »heilige Allianz« entwickelte sich bekanntlich in einer
ganz anderen Weise als von Zar Alexander beabsichtigt, eine
Folge des Umstandes, dass Metternich dieselbe als Instrument
zur Förderung der österreichischen Kongresspolitik benutzte. Die
liberale Agitation der Folgezeit hat die »heilige Allianz« zum
Gegenstand des Hasses gemacht und mit Hohn und Spott íiber-
háuft. Es wáre indessen töricht, wenn eine spátere, objektive
Nachzeit sich der Erkenntnis verschliessen wollte, dass der Ge-
danke Zar Alexanders nicht nur einem aufrichtigen Idealismus
entsprungen war, sondern auch von weiten Kreisen der Besten
innerhalb der europáischen Gesellschaft geteilt wurde. Dass einer
von diesen einen eigenartigen Versuch machte, diesem Gedanken
eine prázisere praktische Form zu geben, soll im folgenden náher
dargetan werden.
Konferenzrat C. F. von Schmidt-Phiseldek war ein hoher
Beamter der dánischen Staatsverwaltung. Wie so viele Diener
des Absolutismus war er Deutscher von Geburt und hatte deutsche
Ausbildung genossen. In den ersten Dezennien des 19. Jahrhun-
derts hatte er eine Reihe bedeutender Posten innerhalb der dá-
nischen Finanzverwaltung bekleidet und sich in hohem Masse
als vertrauenswurdig erwiesen. Als Gewáhrsmann der Regierung
hatte er ausserdem die dánische Neutralitátspolitik wáhrend des
Konfliktes mit England in einer Schrift verteidigt, die noch heute
mit Interesse und Nutzen gelesen wird (»Versuch einer Darstel-
lung des dánischen Neutralitátssistemes wáhrend des letzteren
Seekrieges« (1802 ff). Siehe Georg Cohn: Neo-Neutralitet. 1937.
Seite 70, 254). Schmidt-Phiseldek besass die der Aufklárungszeit
eigene Allseitigkeit und den Trieb, die Leserwelt seiner Gedan-
ken teilhaftig zu machen. So veröffentlichte er i. J. 1820 ein