Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Side 74

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Diese Ziffern waren allerdings zu hoch gegriffen, da sich die
Bevölkerung im letztgenannten Jahre nur auf 90 Millionen be-
lief. Man wird jedoch zugeben miissen, dass die angefiihrten
statistischen Berechnungen schwerlich dazu berechtigen, den Yer-
fasser als einen ganz schlechten Propheten hinzustellen.
Schmidt-Phiseldek fiihrt weiter aus, dass die Kultur in Ame-
rika steigen, Wissenschaft und Kunst sich entwickeln, und die
freien Regierungsformen zu grösserer Selbstandigkeit und Intelli-
genz fiihren wiirden. Amerika könne Europa entbehren, da es
allmáhlich ein autarkischer Kontinent geworden sei. Umgekehrt
könne Europa dagegen Amerika nicht entbehren.
Der Verfasser glaubte indessen auch an eine gliickliche Zu-
kunft fur unseren alten Kontinent. Mit besonderer Freude blickte
er auf die infolge der Beschliisse des Wienerkongresses in ver-
schiedenen Staaten zwischen einer starken königlichen Macht und
dem Einfluss des Volkes auf Gesetzgebung und Wirtschaft zu-
stande gekommene Verbindung. Dies war insofern berechtigt,
als England, Frankreich, die Schweiz, die Niederlande, Norwe-
gen, Schweden und Polen bereits freie Verfassungen erhalten
hatten. Alle deutschen Fursten hatten ihren Untertanen áhnliche
Konstitutionen versprochen. Selbst der Zar war im Begriff, ge-
wisse freisinnige Reformen im russischen Reiche zu bewerkstelli-
gen. Nirgends war aber irgend ein Parlamentarismus eingefiihrt
oder beabsichtigt, und uberall war eine starke und unabhángige
exekutive Gewalt neben der gesetzgebenden und richterlichen
Gewalt aufrechterhalten. In seinen folgenden Schriften »Der
Europáische Bund« (1821) und »Die europáische Politik nach
den Grundsátzen der »Heiligen Allianz« (1822) machte sich
Schmidt-Phiseldek nun an den Versuch, einen europáischen Bund
auf der Grundlage der »Heiligen Allianz« und mit den ameri-
kanischen Verháltnissen als Vorbild aufzubauen. Er befiirwortet
in diesem Zusammenhange Gedanken, die iiber die gegebene zeit-
liche und ráumliche Beschránkung hinausgreifen und deswegen im
folgenden verháltnismássig ausfiihrlich wiedergegeben werden
sollen.
Es ist wohl eine besondere Sache, sich mit einer »staatsuto-
pischen«, mehr als ein Jahrhundert zuriickliegenden Schrift zu
bescháftigen. »In hundert Jahren ist alles vergessen,« heisst es in
einem Trinklied der damaligen Zeit, und wir wissen alle, dass
dies in vielen Fállen gilt schon lange, bevor die hundert Jahre ver-
strichen sind. Eine Schrift aus dem Jahre 1821, deren Verfasser