Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Page 83
»DER EUROPAISCHE BUND«
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Die dritte Frage, die nach Ansicht Schmidt-Phiseldeks eine Re-
gelung erfordert, betrifft die Einfiihrung eines allgemeinen euro-
páischen Bíirgerrechts fiir die Untertanen der europáischen Ein-
zelstaaten. Jeder von diesen miisse berechtigt sein, sich in jedem
beliebigen Staate niederzulassen und jedes biirgerliche Gewerbe
unter dem Schutze der fiir die Biirger des betreffenden Staates
geltenden Gesetze auszuiiben. Weiter könnten indessen die in
Frage kommenden Rechte und Befugnisse sich nicht erstrecken;
kein Staat könne sich irgend welche Einschránkungen in der freien
Wahl seiner Beamten und Diener aufzwingen lassen. Ein allge-
meines Fremdenrecht miisse geschaffen, und europáische Gast-
gerichte in jedem der verbiindeten Staaten eingefiihrt werden. Die
Einrichtung der temporáren Kauf- und Handelsgerichte, die in
bedeutenden Handelsstádten Deutschlands wáhrend der Messen
zu Entscheidung vorfallender Streitigkeiten bestánden, sei ein Bei-
spiel, das in grösseren Verháltnissen Nachahmung zu finden ver-
diene. Es miisse jedoch den Parteien frei stehen, von den Urteils-
spriichen solcher Gerichte an die höchste Instanz des Staates, in
dem der Beklagte sein Domizil habe, Berufung einzulegen. Dass
nach Ansicht des Verfassers die Geheimpolizei und damit jede Be-
schránkung des freien Gedankenaustausches und Verkehrs zwi-
schen den Völkern verschwinden miissten, braucht wohl kaum
náher hervorgehoben zu werden.
Schmidt-Phiseldek untersucht endlich die Frage, welche For-
men der europáische Bund annehmen miisse, wenn die Zeit fiir
seine praktische Durchfiihrung reif sei. Da der Bund die Schaf-
fung eines festbestehenden Rechtszustandes, eine allgemeine innere
Ruhe, eine eintráchtige Beratung iiber das Gemeinwohl und den
gemeinsamen Schutz gegen áussere Feinde bezwecke, seien drei
Organe erforderlich: eine stándige Bundesversammlung, bestehend
aus Vertretern der Regierungen der einzelnen Staaten, deren Stim-
men je nach der Grösse, der Bevölkerungszahl und dem Wohl-
stande der verschiedenen Lánder verschiedenes Gewicht haben
miissten; ein Bundesgericht, in dem — im Gegensatz zur Bundes-
versammlung — jedes Mitglied nur eine Stimme hátte; endlich
eine alle Staaten umfassende, gewajjnete Bundesmacht, welche
die praktische Durchfiihrung der getroffenen Entscheidungen ge-
gen einseitigen Widerstand sichern und die Gesamtheit schiitzen
und verteidigen solle. Das Bundesheer solle ausschliesslich der
Bundesversammlung und dem von ihr ernannten Bundesfeldherrn
unterstellt sein. Die damit verbundenen Kosten seien von der all-