Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Qupperneq 146

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LE NORD
Reichspolitik geplant und ins Werk gesetzt wurden. Dies hatte
tiefgreifende Folgen. Die jungen skandinavischen Reichsbildun-
gen gewannen damals durch die Wikingerziige eine reichere Ent-
faltung und ein harteres Selbstbewusstsein. Bei den Kámpfen auf
fremdem Boden fanden die verschiedenen nordischen Yölker so-
zusagen sich selbst und sonderten sich nicht nur gegen die ausser-
nordischen Lánder, sondern auch gegeneinander schárfer ab. Bald
waren die nordischen Lánder von deutlichen und ausgeprágten
Grenzlinien durchzogen.
Das soeben Gesagte liefert uns den richtigen Hintergrund zum
Verstándnis der politischen Szenerie am Ausgang des nordischen
Altertums. In der Welt der skandinavischen Völker tritt uns deut-
lich ein staatlicher Imperialismus entgegen. Er griindet sich auf
das neugewonnene staatliche Selbstbewusstsein, ist aber auch von
Gefiihlen der nordischen Verwandtschaft und Gemeinsamkeit
durchdrungen. Die Sammlung der zersplitterten Teile des Nor-
dens mittels imperialistischer Methoden ist das Ziel, das ihm
vor Augen schwebt. Schweden scheint zuerst — an uralte Saga-
traditionen ankniipfend — diesen Weg eingeschlagen zu haben.
Es wurde abgelöst von Dánemark unter Sven Tveskág (Gabel-
bart) und Knut dem Grossen. Die letzten Jahrzehnte des Alter-
tums bezeugen den spáten, aber mannhaften Kampf des jungen
Norwegen um die Ubernahme der politischen Fiihrung des Nor-
dens. Aber dieser ganze Imperialismus fiihrte nicht zu irgend-
welchen Ergebnissen. Eine nordische Gleichgewichtspolitik setzte
ein und verhinderte alle grösseren Veránderungen in der politi-
schen Konfiguration des Nordens.
Das Mittelalter begann. Es wurde in besonderem Sinne
eine Periode des Skandinavismus. Das Aufhören der grossen
Wikingerexpansion zwang námlich die nordischen Völker, sich
mehr als zuvor dem inneren Norden zuzuwenden und sich also
in der Hauptsache miteinander zu befassen. Diese skandinavische
Einstellung wurde fiir mehrere Jahrhunderte der nordischen Ge-
schichte bestimmend.
Dynastische Streitigkeiten und partikularistische Reibungen
geben dem ersten Teil des Mittelalters ein diisteres Gepráge.
Die nordischen Staaten werden in ihren inneren Grundfesten
erschiittert; fiir den skandinavischen Entwicklungsgedanken
scheint nur wenig Raum zu sein. Aus dem Dunkel der Ver-
wirrung schimmern jedoch allmáhlich hoffnungsvollere Perspek-
tiven hervor.