Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Page 151
NORDISCHE SCHICKSALSGEMEINSCHAFT 145
den schwedischen Königen immer wieder aufgenommenen Planen
einer schwedischen Eroberung Norwegens. Aber auch diese Zeit
gewaltsam gesteigerter nationaler Leidenschaften gestattete dem
unversiegbaren Quell nordischen Zusammenhalts weiter zu wir-
ken. Selbstverstándliche Nachbarinteressen riefen trotz allen
Widerstandes und allen gegenseitigen Misstrauens immer wieder
Biindnisse und Traktate hervor zu gegenseitigem Nutzen und
Schutz; vor allem zeichnen sich als fiir die Zukunft bedeutungs-
voll die gewichtigen Neutralitátsbiindnisse vom Anfang der
iö^oer Jahre ab. Die historische Tradition hat die Erinnerung
an verschiedene nordische Staatsmánner aus dieser Epoche be-
wahrt, Staatsmánner, die grundsátzlich fiir die Notwendigkeit
eines neuen ehrlichen »Skandinavismus« fiir die nordischen Reiche
eingetreten sind — wir denken an die Namen Sehested, Grif-
fenfeld, Gyllenstierna u. a. Die spátere Forschung hat zwar
den vom nordischen Gesichtspunkt aus ideellen Wert des
Einsatzes dieser Mánner wesentlich reduzieren wollen, sicher-
lich jedoch in vielen Stiicken zu Unrecht; ihr Streben und
Handeln muss lediglich an den besonderen Bedingungen ih-
rer Zeit gemessen und danach beurteilt werden. Auf dem Ge-
biete der geistigen Kultur ist ebenfalls deutlich der nordische
Faden zu erkennen, behiitet und weitergesponnen vor allem von
der besonderen Modewissenschaft jener Zeit, der Saga- und
Altertumsforschung.
Der Verlust der schwedischen Grossmachtstellung schien
grössere Möglichkeiten fiir eine nordische Gemeinschaftspolitik
zu schaffen: die beiden skandinavischen Landeshálften standen
jetzt ziemlich ebenbiirtig einander gegeniiber. Trotzdem versuchte
das alte Misstrauen immer wieder sein Haupt zu erheben, und
die verwirrte europáische Kabinettspolitik des folgenden Jahr-
hunderts machte es nicht leicht, an rein nordischen Linien fest-
zuhalten. Es sollte sich zeigen, dass es zwischen den verwandten
Nationen Skandinaviens noch immer zum offenen Kriege kom-
men konnte. Im Grunde aber bewahrt das nordische Bild seine
typischen Zuge. Unverdrossen kommt man wieder auf Vertrags-
und Bíindnisprojekte zuriick, nicht selten erreicht man sogar
offiziell anerkannte Vereinbarungen. Besondere Aufmerksamkeit
erwecken neue bewaffnete Neutralitátsbiindnisse im spáteren Teil
der Periode (1756, 1780, 1794, 1800) sowie das eigentiimliche
nordische Ententesystem gegen Mitte des 18. Jahrhunderts, das
von dem Dánen J. H. E. Bernstorff und dem Schweden C. Fr.
Scheffer vertreten wurde. Es fehlt auch nicht an Versuchen, auf
Le Nord 1940. 2 10