Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Page 155
NORDISCHE SCHICKSALSGEMEINSCHAFT 149
im Norden zu spát sein fiir eine Vereinigung, dann bleibt nichts
anderes fiir uns iibrig, als uns entweder im Gebirge zu verstecken
oder wie unsere Váter hinter ihren Schilden zu sterben und aus
der Reihe der Staaten zu verschwinden.
Welche Macht auf der Welt kann dagegen dem verbiindeten
Skandinavien gefáhrlich sein? Unsere Berge, unsere Inseln, unsere
verbiindeten Flotten, unser rauhes Klima, unsere alte Liebe zur
Freiheit, zum Vaterland, zu unseren Königen, wird es jeder Macht
auf der Welt unmöglich machen, uns den Nordpol und unsere
Selbstandigkeit zu entreissen.«
Die ersten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts brachten
fiir den Norden grosse politische Veránderungen. Schweden ver-
lor seine östlichen Besitzungen, die als Grossfiirstentum Finnland
an Russland angegliedert wurden. Norwegen, das aus der Ver-
bindung mit Dánemark ausschied, ging eine neue Union ein, dies-
mal mit Schweden. Man wird kaum sagen können, dass dieses
letzte Ereignis einen Fortschritt fiir skandinavisches Zusam-
mengehen bedeutete, da es nicht die Frucht eines tieferen, all-
gemein aus dem Volke herausgewachsenen Strebens war, sondern
recht áusserlichen und der Sache fernstehenden Berechnungen
der gerade im Augenblick leitenden Persönlichkeiten seine Ent-
stehung verdankte. Norwegen, wo die Selbstándigkeitsgefiihle
zwar im spáteren Teil des 18. Jahrhunderts augenscheinlich im
Wachsen begriffen waren, hatte auch nicht besonders ernstlich
gegen die dánische Verbindung reagiert. Es kann ausserdem nicht
geleugnet werden, dass schliesslich seitens der dánischen Re-
gierung mancherlei getan wurde, um das Wirtschaftsleben Nor-
wegens und Dánemarks in Einklang zu bringen und uberhaupt
Norwegen aus seinem mehr verborgenen Dasein herauszufiihren.
Nach der so erfolgten Neuordnung wird der Norden nun
den verschiedenartigsten politischen und kulturellen Einfliissen
ausgesetzt.
Aus der Jahrhundertwende waren ihm die immer stárker
strömenden Fluten des Skandinavismus iiberkommen, die den
nordischen Einheitsgedanken unter einen steigenden Festrausch
des Gefiihls und der Phantasie brachten. Das Typische und Tra-
gende innerhalb des Skandinavismus war auch weiterhin noch
lange Zeit mehr literarischer und theoretischer Art, und die
akademische Welt war sein getreuer und begeisterter Ritter. Sym-
bolisch ist Tegnér’s bekannter Dichtergruss an Oehlenschlaeger
bei der Doktorpromotion in Lund im Jahre 1829, wo er sang: