Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Qupperneq 186
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LE NORD
ten, die das Beste darstellten, was die dekorative Kunst der Zeit
in Nordeuropa zu leisten vermochte. Zur gleichen Zeit, wo die
Schweden ihre Altare mit diesen flámischen Prachtstiicken
schmiickten, erhált Dánemark, am Ausgang des Mittelalters in
dem schicksalsschweren Jahre 1520, sein stolzestes spátgotisches
Bildhauerwerk, Claus Bergs gewaltiges Altarbild in der St. Knuds-
Kirche zu Odense, das urspriinglich im Chor der Anfang des 19.
Jahrhunderts zerstörten Franziskanerkirche, der Gruft des dáni-
nischen Königsgeschlechts, aufgestellt war. Siiddeutsche Stiltra-
ditionen sind in diesem Meisterwerk erkennbar. Die lebensvollen
Bilder der Mitglieder der königlichen Stifterfamilie verkiinden
den Eingang eines neuen, von einem stolzen Selbstbewusstsein
und einer starken Behauptung der Persönlichkeit getragenen Zeit-
alters. Alte Quellen berichten von dem iiberwáltigenden Ein-
druck von fliessendem Gold, den der Altar auf seinem urspriing-
lichen Platz hervorrief. Hohe Chöre mit Gewölben und Wánden
voll gemalter Bilder und prachtvoller Altáre, verschwenderisch
ausgestattete Ornate, alles zeugte von einem Prachthunger, der
in einem gewissen Gegensatz gestanden haben muss zur Herb-
heit und Durftigkeit des profanen Lebens unter einem frostigen
nordischen Himmel.
Der Durchbruch der Reformation bewirkte zunáchst eine Un-
terbrechung eines kiinstlerischen Lebens, dessen Grundvorausset-
zung die spátmittelalterliche Frömmigkeit war. In Dánemark
iibernimmt zuerst der Adel die Leitung des Staates und bekundet
seine Macht durch den Bau von Burgen, die wohl in erster Linie
der Verteidigung gegen widerspenstige Bauernhaufen dienen soll-
ten, aber auch den Zweck hatten, den Magnaten angenehmere
und ansehnlichere Wohnstátten zu bieten, als es die mittelalter-
lichen Burganlagen vermochten. Erst gegen Mitte des 16. Jahr-
hunderts macht die Gotik einer, allerdings im Grunde gotischen,
Form der Renaissance Platz. In Schweden — abgesehen von
dem damals dánischen Schonen — hatte sich der Adel in der
ersten Hálfte des 16. Jahrhunderts nur ausnahmsweise feste Háu-
ser gebaut, die gleichzeitig auf eine reprásentative Wirkung An-
spruch erheben konnten. Das steinerne Haus von Torpa und der
Wasaturm auf Rydboholm kommen gegenuber den ansehnlichen
adeligen Burgen in Schonen und Dánemark zu kurz. In Schwe-
den baut der König, anfangs so schwerfállig und mittelalterlich
grimmig wie Gripsholm. Und die bedeutendsten Bauwerke des
Landes sind vielleicht die grauen Granitburgen, die errichtet wur-