Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Blaðsíða 190
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LE NORD
schloss. Man wird freudig gestimmt, wenn man den Schlossplatz
von Amalienborg betritt, der noch heute wie damals um die
Mitte des 18. Jahrhunderts, als er entstand, einer der schönsten,
harmonischsten und in erster Linie liebenswiirdigsten Prunkplátze
der Welt ist.
Diese Stimmung eines liebenswiirdigen Behagens liegt auch
iiber der privaten Architektur der dánischen Hauptstadt, iiber
den Adelspalásten und den Biirgerháusern.
Die Privatarchitektur Stockholms aus dem 18. Jahrhundert,
jetzt zum grössten Teil verschwunden, war im Vergleich zu der
Kopenhagens armselig und von diisterem Aussehen. Ein ge-
schnitztes Rokokoportal versuchte zu lácheln und freundlich zu
wirken, so gut es das in seiner Einsamkeit konnte, zwischen nack-
ten Mauerfláchen und uneingerahmten Fenstern.
Was Norwegen betrifft, so können wir uns hier ganz gewiss
kein Barock und kein Rokoko erwarten, das sich mit dem ver-
gleichen könnte, was Schweden und Dánemark hervorgebracht
haben. Es ist aber von kiinstlerischem und nicht zumindest von
kulturhistorischem Gesichtspunkt aus von grossem Interesse, die
Bauwerke aufzusuchen, die das Land aus diesen Stilperioden noch
besitzt. Die Krone baute durch ihre Ingenieur-Offiziere Festungs-
werke und ganze Festungsstádte wie Frederikstad und Frederiks-
vern, straff und knapp, aber niemals nachlássig in der Massbe-
handlung und in der Einzelausfiihrung. Die Beamten bauten sich
draussen in den Dörfern reprásentative Holzháuser, die Biirger-
schaft konnte den grossen Herrn spielen wie im Stiftshof in
Trondheim oder ausgelassen sein wie in der munteren Rokoko-
villa Damsgaard vor Bergen. Innerhalb der Kirchenarchitektur
stellt die Kirche von Kongsberg mit ihrer reichen Ausstattung
mit einer Empore in mehreren Etagen, Orgelfassade und Altar-
wand ein Maximum provinzieller Rokokopracht dar. Aber seine
wirklich monumentale und gehaltvolle Baukunst kann das
Bauernland Norwegen draussen in den Talschluchten aufweisen,
wo die Wohnungen der Grossbauern in ihrer kraftvollen Ma-
terialwirkung, in Raum, Licht und Farbe Beispiele einer durch
Jahrhunderte fortlebenden grossartigen Bautradition darbieten,
die in ihren Anspriichen das Vorziiglichste verlangt. Der Fremde
verstummt; und wenn es auch in einem Freiluftmuseum ist, tritt
er ehrfurchtsvoll in eines dieser Grossbauernháuser ein, wo Nor-
wegen durch Jahrhunderte seine Zeit abwartete und das Erbe
der Váter unverándert und echt bewahrt hat.