Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Page 200
194
LE NORD
de und Aristokrat, doch erfiillt von einer idealen Liebe zu seinem
Volk »auf der Heide, zwischen Bergen und Scharen«.
In allen yier nordischen Landern gewinnt die nationale Ein-
stellung Anfang der i89oer Jahre die Oberhand iiber die Pariser
Gewandtheit. Sie ist eine Seite der Romantik, die gegen Ende des
Jahrhunderts in ganz Europa, in der bildenden Kunst wie in der
Literatur, als eine Reaktion auf den Realismus auftritt. Vielleicht
hat sich der verschiedene Charakter der nordischen Völker niemals
schlagender gezeigt als in der verschiedenen Gestaltung ihrer Ma-
lerei der 9oer Jahre, und dies eben deshalb, weil diese Malerei
in ihrem Grunde und in ihrer Zielsetzung national ist.
Am starksten und am meisten bewusst tritt das nationale Ziel
bei dem vornehmsten finnischen Maler der 9oer Jahre hervor, bei
Axel Gallén-Kallela. Mit seinen Bildern aus der Kalewala gab er
nicht nur den Mythen dieses finnischen Vorzeitepos eine sichtbare
Gestalt, sondern schuf auch Symbole uniiberwindlicher Treue und
unbeugsamen Trotzes, die das finnische Volk ergriffen, sammel-
ten und in seinem Widerstand gegen die Unterdriickung stárkten.
Kullervo, der in sein Horn blást und die Seinen zu den Waffen
ruft, war seinerzeit nicht misszuverstehen und besitzt noch heute
seine Aktualitát. Gallén war in seinen jiingeren Mannesjahren ein
vorziiglicher naturalistischer Maler, ein Maler mit empfindsamem
Strich und ausgesuchter Valeurbehandlung. Seine Bilder aus den
8oer Jahren gehören zu dem Auserlesensten und Echtesten in der
nordischen Malerei. Er gab aber diese seine vollendete Fertigkeit
preis, um eine strengere und mehr monumentale Form zu suchen.
Mit dieser konnte er dem neuen Inhalt Ausdruck geben, der ihn
erfiillte. Wir stehen dem »Symbolismus« jetzt kritisch gegeniiber
und finden seine Grundsátze und Methoden verfehlt. Wir wáren
wohl geneigt, Gallén-Kallelas Werk umzuwerten und die Jugend-
arbeiten höher zu schátzen als die Kalewala-Bilder. Seine ge-
schichtliche Bedeutung hat der Kiinstler aber den letzteren zu
verdanken. Durch sie hat er wenn auch nicht in die Kunst, so doch
in das Leben seines Volkes und damit des Nordens am unvergáng-
lichsten eingegriffen.
Derselben Aufopferung bereits erreichter Fertigkeiten begeg-
net man in der schwedischen Malerei der i89oer Jahre. Man ist
betroffen, wenn man von Karl Nordströms Malereien im Saal
der 8oer Jahre der Fiirstenberg’schen Gallerie in Göteborg, dem
»Gartenweg in Grez« und dem Bilde seiner Frau im Griinen, in
den danebenliegenden Saal kommt und »Hartippen auf Tjörn«