Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1940, Blaðsíða 203
NORDISCHE KUNST
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Die nordische Malerei der 9oer Jahre mit ihren Parallelen
und ihren Besonderheiten, ihren vielen eigensinnigen Begabungen,
ist ein leuchtendes Beispiel fiir die reich differenzierte Kultur,
die sich in diesem Kreise von kleinen Landern mit einer Ein-
wohnerzahl von insgesamt etwa fiinfzehn Millionen entwickelte.
Die Bildhauerkunst von der zweiten Hálfte des 19. Jahrhun-
derts bis in unser eigenes Jahrhundert hinein bietet so verschiedene
Erscheinungen wie Bissens harmonische Yereinigung von Thor-
waldsentradition und vertraulichem Naturstudium, Walter Rune-
bergs anspruchslose und ideal betonte 'Wirklichkeitsliebe, Per
Hasselbergs liebevollen nordischen Naturalismus auf Grundlage
französischer Neurenaissance und John Börjessons iippigen histo-
rischen Realismus. Sie setzt dann fort mit Gustaf Vigeland und
dem jungen Carl Milles, beide ausgehend von Rodins pathetischem
Impressionismus, beide zu einer strengeren Monumentalitát hin-
strebend, Vigeland in ein »Dovregebirge der Bildhauerkunst«
entfiihrt, Milles unerschöpflich an Ideen und begierig danach, die
verschiedensten Motive in einer Form zu gestalten, die mit Gegen-
stand und Eingebung wechselt. Und neben ihnen der Dáne Kaj
Nielsen mit seiner unmittelbaren und doch zu persönlichem Stil
gewordenen Freude am »Liebreiz« der Frauen und Kinder, und
der Finne Aaltonen mit seiner energischen Verherrlichung der
mánnlichen Ausdauer (»sisu«) eines Nurmi.
In der Baukunst begann Dánemark mit einem bedeutenden
Goodwill in dem wurzelechten Neuklassizismus C. F. Hansens
und Bindesbölls, verfiel aber in den spáteren Jahrzehnten des 19.
Jahrhunderts dem historischen Pasticcio, einer imitierten nord-
europáischen Renaissance, fiir die man im Königlichen Garten
(»Kongens Have«) in Kopenhagen bequeme Vorbilder fand —
man brauchte nicht einmal nach Hilleröd oder Helsingör zu rei-
sen. Der schwedische Karl XIV. Johann-Stil — als Beispiel kön-
nen Frederik Bloms Artilleriekaserne und die Schiffsholmskirche
dienen — war wenig glanzvoll und festlich, besass aber eine
herbe Wiirde, die in dem Tessin’schen Erbe verwurzelt war. Etwas
davon tritt noch in Scholanders gepflegter Putzrenaissance un-
bewusst in die Erscheinung. Norwegen gestaltet durch Linstow
und Grosch seinen »Karl Johann«, sein Königsschloss und seine
Universitát in vornehm klassischem Stil. Und Finnland erhált in
dem deutschbiirtigen Architekten Engel seinen monumentalen
Stádtebauer.
Christoffer Nyrops Rathaus in Kopenhagen, dánisch in seinem