Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Blaðsíða 12
Siidlande vorkommenden kokalstil. Die letzten zwei Lieder dieser Rolle
singt Benedikt Sveinsson, der jetzige Prásident des Unterhauses des ,,A11-
tliings", ein in der alten islándischen Kultur beheimateter kiinstlerisch em-
pfindender Mensch, der aus dem Nordosten Islands stammt, wo bisher keine
Aufnahmen gemacht wurden. Seine Uieder sind denn auch stilistisch inter-
essant; vielleicht handelt es sich um den Dokalstil des Nordostens. Er singt
dann noch drei Reimweisen auf Rolle 64, die zwei ersten je zweimal (die erste
bei der Wiederholung variiert) und die letzte einmal. Auf dem iibrigen
Raum der Rolle wurde nichts aufgenommen und sie hat denn bei mir vor
dem AbguB auch einen Sprung bekommen, aber die Uieder sind trotzdem
gut hörbar. Vor dem letzten Died ist nur eine unterbrochene Störung, die
nicht zu den Uiedern gehört. Das letzte Died ist eigentlich fast ein ge-
sprochener Vortrag, eine rezitativische, sprach-rhythmische Wiederholung
fast immer desselben Tones. Bei dieser Rolle ist das am SchluB sonst ein-
geblasene a versehentlich weggeblieben, aber Tempo und Tonhöhe lassen
sich aus dem Vortrag desselben Sángers auf der vorherigen Rolle feststellen.
Auf Rolle 65, die auch vor dem AbguB einen Sprung bekommen hatte,
singt eine siebzigjáhrige Frau aus Húnavatnssýsla vier Chorále aus den
„Passionspsalmen" von Hallgrímr Pétursson. Der Gesang ist leise und un-
deutlich. Der dritte Choral der Rolle scheint eine Art Variante zu dem
dritten Died der Rolle 15 zu sein. Es wáre einer Naehforschung wert, fest-
zustellen, inwiefern diese Chorále den xnittelalterlichen Chorálen des Aus-
landes verwandt sind. Man kann wohl Einfltisse von Zwiegesangs-Stil einer-
seits und Reimweisen-Stil anderseits feststellen, aber immerhin scheint
kein groBer Zusammenhang mit diesen Gesangsarten zu bestehen, wie denn
diese Chorále mehr oder weniger aus dem Rahmen der islándischen Volks-
lieder herausfallen. Dieses Gebiet ist aber wenig erforscht und ist daher
auch fiir eine Bearbeitung zu empfehlen. — Damit ist der Bericht xiber die
vorliegenden Phonogramme beendet. Es sind im ganzen 65 Rollen, die
bisher in Island von mir aufgenommen wurden und im Phonogramm-Archiv
der Berliner Musikhochschule (Psychol. Institut, SchloB) verwahrt sind.
RANDBEMERKUNGEN zur Abhandlung von Prof. Dr. E. M. von
Hornbostel in „Deutsche Islandforschung 1930" (F. Hirt, Breslau), S. 300
bis 320. — Auf S. 301 muB der Name des Vaters nicht Sigurðarson, sondern
der Vorname Sigurðr heifien, denn in Island sind ja Familiennamen nicht
gebráuchlich. — Auf der Mitte derselben Seite spricht Hornbostel davon,
daB die geringen Varianten der Zwiegesangs-Aufnahmen im Vergleich zu
den Aufzeichnungen von Þorsteinsson fur die Zuverlássigkeit der Auf-
zeichnungen sprechen und zugleich daftir, daB die Úberlieferung noch leben-
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