Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 2
weitgestreckten Firnfeldern mit einzelnen vereisten Spitzen und breiten F<lS'
strömen, das Ganze thronend iiber einem dunkeln,- nicht allzu hohen Fels-
massiv, dessen FuB im Ðunste zwischen Meer und Unterland verschwindet.
Wendet sich unsere Fahrt nun dem Osten Islands zu, so verliert sich die
Gletschermasse des Vatnajökull allmáhlich im Hintergrund und an seiner
Stelle schieben sich mehr oder minder stark mit Schnee bedeckte dunkle
Felsblöcke, die groBenteils steil zum Meere abfallen, in unseren GesichtskreiS.
Zwischen ihnen öffnen sich kurze Buchten und tiefe Fjorde, alle umsáumt
von hohen, ernsten Felshángen, an deren FuB sich ein verháltnismáBig uur
schmales Unterland hinzieht. Die Berge sind bis tief in den Sommer hineiu
mit Schnee bedeckt. Den Schnee durchziehen zahllose, fast wagerechte
Querstreifen von dunkler Fárbung; es sind Terrassenabsátze oder Stufen,
die die vielen ubereinander aufgetúrmten Basaltschichten bilden und die
diese Felsen vielfach wie eine tmgeheure Riesentreppe erscheinen lassen. Nacb
dieser Treppenform hat man auch das Gestein mit einem norwegischen Worte
als ,,Trap“ bezeichnet.
Verschwindet bei vorrúckendem Sommer der Schnee von den Kústen-
bergen, dann erscheinen die Felsstufen um so schárfer. Man kann ihrer viele
Dutzende, ja wohl an hundert úbereinander záhlen. Zahllose Wasserfáden
schieBen úber die Stufen herab und hier und da ziehen sich schmale Gras-
streifen die Gesteinterrassen entlang, bis sie sich tiefer herab zu grúnen
Fláchen verbreitern und einen Teil der Talsohle mit freundlichen, blumeU'
durchwebten Wiesen schmúcken. Dieser liebliche Anblick mildert den Ein-
druck des Emstes, der die Felskúste des islándischen Ostlandes selbst dann
umzieht, wenn heller Sonnenschein úber den Meereswellen tanzt und den
Gegensatz zwischen der beweglichen, im Farbenlichte spielenden See und
dem starren, zerklúfteten Abfall des Felsen-Eilandes um so eindringlicher
hervortreten láBt. Der Ernst dieses Landschaftsbildes wandelt sich zu tiefer
Schwermut, wenn die Sonne schwindet, wenn dunkle Wolken die Felskronen
umlagem oder grauer Nebel die Schluchten und Táler fúllt. Oft hiillt der
Nebel auch die ganze Kúste ein, und dem mit vorsichtiger Bedáchtigked
sich ganz langsam fortbewegenden Schiffe erscheint dann nicht selten plötZ'
lich in unheimlicher Náhe der vor der Felskúste úber Klippen kochende und
zu hohen Raketen aufspritzende Gischt der weiBen, durch den Nebel leucb'
tenden Brandung.
Biegen wir von der Ostkúste Islands zur Nordkúste um, so bleibt vom
Inselfjord bis zu dem im áuBersten Nordwesten steil aufragenden islándischt'U
Nordkap oder Kap Horn das Landschaftsbild ein áhnliches, doch nocb ernsteí
und dtisterer, als an der Ostktiste. Wie die Kulissen einer gewaltigen Theatet'
búhne schieben sich die Félsreihen vor. Wohl sechs oder acht oder uocb
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