Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 5
láBt; es iiberzieht sie mit einem eigenen zarten Duft und Iúchthauche, der
der islándischen I,andschaft eigentiimlich ist und ihr ein Gepráge gibt, das
tief auf uns wirkt. Wir alle kennen den eigenartigen Hauch, den heiter-
bláulichen Farbenton, der tmsere mittelrheinische Landschaft etwa zwischen
Bonn und Bingen umflieBt und alle guten Bilder aus dieser Landschaft keim-
zeichnet. Vielen von uns mag auch der vielgepriesene, sattere Ton des
italienischen Himmels und seiner Landschaftspracht aus eigener Anschau-
ung bekannt sein. Die islándische Landschaft nimmt zwischen beiden eine
mittlere Stellung hinsichtlich der Beleuchtung ein, nicht so heiter und in
gemiitvoll gliihendem Hauche verschwimmend wie der Rhein, nicht von so
tiefem Blau, wie Europas Siiden. Islands Luft ist auBergewöhnlich durch-
sichtig und klar; sie ist nicht beschwert vom Dunste groBer Stádte und
Industrien, aber die Sonne gliiht nicht vmd fárbt nicht wie Itahens Himmel.
In einem feinsinnigen Aufsatze, der vor fast 30 Jahren erschien, sprach
Andreas Heusler, der ausgezeichnete Islandkenner, von einer unbe-
schreibbaren Lichtheit und Leichtheit der islándischen Fárbung; oft stehe
eine Szenerie wie hingehaucht da; die Feme wunderbar deutlich, aber nie-
nials scharf und hart; viele Landschaften farbenreich, aber nirgends bunt
und grell. Im Vergleich zur italienischen Landschaft sei das islándische
Bicht grauer, silbemer, daher kiihler wirkend; das Himmelsblau heller, das
Abendrot aber am Himmel und auf den Fimfláchen zarter, kálter, mehr
nach dem Bláulichen hiniiberliegend, als die warme, orangengoldene Glut
in den Alpen; es gleiche mehr dem seltenen echten Alpengliihen, das nach
dem ersten Erbleichen der Gipfel eintritt. Heusler meint, er könne sich die
islándische Gegend nur im Aquarell vollkommen wiedergegeben denken. —
Dies möchte ich bestátigen und hinzufiigen, daB manche Lichtwirkung auf
Island sowohl bei Sonnen- wie bei Mondenschein nach meinen Beobachtungen
kiinstlerisch úberhaupt nur sehr schwierig darzustellen sein durfte, und daB
ich sie in wirklicher oder annáhernder Vollkommenheit bisher niemals auf
irgendeinem Bilde sah.
Das Schönste, was mir der islándische Himmel an Farbenpracht bot, sah
lch in einer Hochsommemacht von einer Oase bei den warmen Quellen im
Siiden des Binneneises Hofsjökull. Wáhrend der kurzen Zeitspanne zwischen
dem Niedergang und Wiederaufstieg der Sonne gliihte und flammte das
f'irmament, umkránzt von den lichtesten Tönen des Regenbogens, einem
TOatten Blaugriin, einem zarten Gelb, einem schwellenden Orange und einem
v°m Rosa zum Tiefblau iiberflieBenden weichen Violett. Dazwischen ein
Wechsel von aufflackerndem Widerscheine brennenden Rots. In der laut-
i°sen Stille der hellen Sommemacht am FuBe der groBen Gletscher war dies
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