Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 3
mehr solcher Felskulissen kann das Auge beim Voriiberfahien gleichzeitig
iiberschauen. Tief eingeschnittene Fjorde öffnen sich und verstatten einen
kurzen Blick in das Innere der Buchten; dann verschwinden sie wieder, und
aufs neue schieben sich andere Bergmassen in den Hintergrund. Von hohen
Steilklippen stiirzen weithin sichtbare Wasserfalle; wie weiBe, senkrechte
Striche wirken sie auf dem Dunkelblau der Basaltmauem. An einer Stelle
erscheint eine sich tief zum Meere herabneigende Fimkuppel, der Dranga-
jökull, wie ein weiBes Gespenst zwischen dunkeln Wolkenschleiem, den blau-
schwarzen Bergabhángen und der triib griingrauen Eissee. — Áhnlich wie
der Norden bietet sich auch die Nordwest-Kiiste Islands dar.
Ganz anders erscheint uns das Dand, wenn wir, die lichten Schneewölkchen
des Vatnajökull erblickend, uns nicht zum Ostlande wenden, sondern an der
Sudkuste Islands entlang nach Westen segeln. Hier offenbart sich uns ein
hell leuchtendes Gletscherland, eine lange Sicht von sanft geschwungenen,
firnbedeckten Höhen, so eigenartig, wie wir sie nicht aus der Schweiz und
nicht aus Norwegen kennen, die aber auch mit den Gletschern Grönlands oder
Spitzbergens, oder mit den Eismauem der Polarmeere wenig gemeinsam
haben. Fast freundlich möchte ich die sudislándische Gletscherwelt nennen;
sie trotzt nicht kalt und drohend úber himmelweiten felsigen Höhen; sie
schickt nicht ihre Eismauern in den Ozean vor, sondem wölbt sich in sanfter
Biegung wie schútzend úber die grúnen Halden des Uferlandes, wáhrend die
Weiten öden zwischen BergfuB und Meeresrand, die der Islánder „sandar“
nennt, dem Auge fast verborgen bleiben oder allenfalls als untere Rahmen-
leiste des freundlich-schönen Bildes wirken. GroBe Wasserfálle glánzen zwi-
schen den reinen Firnrúcken und dem dunkeln Strande des Atlantischen
Ozeans. Zackige, wunderlich geformte Klippen heben sich aus dem Meeres-
spiegel. Ein máchtiges natúrliches Bogentor in einem vorgewúrfelten, vier-
kantigen Riesenfelsblock bezeichnet Islands súdlichste Spitze, und zahlreiche
Siedlungen grúBen als die Zeichen gutbewohnten Uandes zu uns herúber.
Wir segeln nach Westen zu den Westmánnerinseln, einer Gmppe grotesker
Felseneilande, die dem groBen Island súdlich seiner Súdlandgletscher
vorgelagert sind. Einzelne dieser Inseln sind steile Vogelfelsen, um die zur
Sommerzeit dichte Schwánne von Alken und Uummen, von Möwen und See-
papageien und anderem Gevögel fast wie Schneeflocken wirbeln und mit
ihrem heisem Gekreisch die Uuft durchgellen. Dicht bei den schroffen Vogel-
khppen trágt die Hauptinsel Heimaey am FuBe eines Vulkans eine ausge-
dehnte, schmucke Fischéransiedlung von rund 1500 Bewohnem.
Weiter westlich ándert sich wiedemm die Uandschaft. Die Gletscher
schwinden. An ihrer Stelle tauchen in gröBerer Feme die nur zum Teil
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