Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 8
schliminen Seiten, in ihren Beschwerden und Gefahren, sowie in ihrer bin-
reiBenden Anziehungskraft und oft sinnberiickenden Schönheit kennen.
Bis friihestens Anfang Juli hegt das innere Hochland unter Schnee be-
graben; erst dann, oft wochenlang spáter, löst sich der Bann. Von den Rán-
dem der Binneneismassen schieBen gewaltige Wassermengen als starkströ-
mende Fliisse zu Tal. Mit ihnen vermischen sich die Schmelzwasser des
schnell abtauenden Winterschnees, der Geröll und Bava iiberdeckte. Der
Sprengisandur und die iibrigen Geröll-öden bilden dann ein ungangbares
Schlamm-Meer, das erst langsam auftrocknet, wáhrend in den porösen Rava-
wiisten die Wasser schnell versinken und unterirdisch weiterflieBen; bei vor-
riickendem Sommer wird die Bava-öde dadurch bald wasserarm und wasser-
los, und lángeres Verweilen in ihrem Bereich wird dann manchmal aufs
áuBerste erschwert.
Nur ein geringfiigiger Pflanzenwuchs vermag sich — abgesehen von we-
nigen begiinstigten Stellen oder kleinen Oasen — in den Wiisten des Hoch-
landes anzusiedeln. Daher werden die Farben der groBen Fláchen bei der
Rundsicht auf Gletschereis, Geröllwellen und Lavafelder mit den dazwischen
aufragenden Höhen — lichtweiB, graublau und gelblichbraun — nur selten
unterbrochen; trotzdem fehlt das Gefuhl der Eintönigkeit; denn wie aucb
im Kústenlande sind dank der hellen Euft diese Farben im allgemeinen stets
rein und milde, und auch die schárfsten Bergumrisse umzieht der echt is-
lándische Hauch von wohltuender Weiche und Zartheit.
Ein eigenstes Bild bieten die groBen Eavawústen des Hochlandes. Wohio
der Blick sich wendet, schweift er úber erstarrte Eavawogen, die in Feuer-
strömen, bis zu 80, ja 90 km lang, geflossen sind. Wir sind umringt von
Eavamassen in den merkwúrdigsten Strukturen, flachen Platten, aufgesturz-
ten, úbereinandergeturmten Steinmassen, spitzigen, zackigen, oft viele Meteí
hohen, z'erborstenen und gewundenen Gebilden in den wunderlichsten und
abenteuerhchsten Formen, in denen die Phantasie sich betátigen und ver-
irren kann. An vielen Stellen ist es úberaus schwierig, an manchen unmög*
lich, die einzelnen Eavaströme zu unterscheiden, ihre Ausbruchstellen zn
finden, oder auch nur die Eava zu tiberschreiten. Fast zwei Stunden brauch-
ten wir an einer Stelle, um, die Hánde von dicken Wollhandschuhen, dic
FúBe von kráftigen Nágelschuhen geschútzt, eine wilde Zackenlava zu úber-
klettem, die kaum 400 m breit war.
Der Blick tiber ein solches Lavameer erscheint beim ersten Schauen trau-
rig, wie der Weg úber die Bava einsam ist. Aber auch hier erweckt das LicM>
wie úberall auf Island, ein sonderbares, die Phantasie ergreifendes Eebett-
Aus dem trúben Grau und Blau löst sich ein Glánzen und GleiBen. In schiui-
mernden Tönen ziehen wechselnde Dichter úber den steinemen Ozean, und
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