Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 9
wenn, wie ich es in der Missetatenwiiste sah, zwischen dunklen Wolken die
Spátabendsonne einen schweren tiefgoldbraunen Schein iiber die Lava-öde
giefit, dann gliiht sie plötzlich auf wie unendlicher Reichtum eines verzau-
berten Wunderschatzes, schöner und strahleader als alles, wovon je Sage
und Dichtung uns erzáhlten. Und dann versinkt máhlich wieder diese ganze
feenhafte Pracht im Dámmerschatten der nordischen Mittemacht.
So ist in groBen Ziigen das Natur- und Landschaftsbild Islands. Schwache
Worte können es nur als andeutende Skizze wiedergeben. Es voll zu erfassen
und zu wiirdigen, gibt es nur eine Möglichkeit: selbst hinreisen und es mit
voller Seele genieBen, das islándische Wunderland.
H. YERFASS UNGSJUBILÁUM AUF ISLAND
Ansprache1 von Einar H. Kvaran, gehalteu auf der Versammlung der dánisch-
islándischen Gesellschaft in Kopenhagen am 24. November 1924
Island feiert in diesem Jahre (1924) das fiinfzigjáhrige Jubiláum seiner
Verfassung. In diesem halben Jahrhundert haben in allen bedeutenden
Staaten gewaltige Veránderungen stattgefunden, aber wohl nicht mit Un-
recht glaube ich behaupten zu durfen, die Veránderungen auf Island seien
gröBer als in irgendeinem anderen Uande Europas. Natiirlich nicht so zu
Verstehen, als ob wir allen anderen voran wáren, sondern so, daB wir vor
5o Jahren hinter allen anderen Kulturstaaten zuriickstanden.
Bei dem groBen Interesse, das Ihre Vereinigung fiir die Belange Islands
zeigt, scheint es mir passend, diese Veránderungen kurz zu betrachten, nicht
in wissenschaftlich-geschichtlicher Form, sondern in einzelnen Beobachtun-
gen, die Uicht auf diese Veránderungen werfen.
Zunáchst will ich versuchen, ein Bild davon zu entwerfen, in welchem
Zustand sich Island befand, als wir die Verfassung bekamen. Deren wichtig-
ster Punkt war, daB wir Herren iiber unser Hab und Gut wurden. Worin
bestand das ? Das war eine hölzerne Brucke, 4 Steinkirchen, 1 Kapelle,
I Wohnhaus fúr den Uandeshauptmann, die Uateinschule und das Gefángnis.
Sonst nichts: kein Stúckchen UandstraBe, kein Ueuchtturm, all die vielen
und gefáhrlichén Flússe mit einer Ausnahme ohne Brúcke.
Uas waren die öffentlichen Bauten, die wir úbernahtnen, nun gehen wir
zutn Privatbesitz úber. Wir hatten keine Schiffe auBer Ruderbooten und
kein Islánder konnte mit einetn Schiff umgehen. Ruderboote und Segel-
boote gab es viele: aber sie brachten groBe Gefahren bei Stúrmen und
hohetn Seegang, was so háufig an der islándischen Kúste ist.
1 'Jbersetzt aus dem Islándischen nach Tímarit t>j óðræknisfélags Tslendinga í Vestur'
heimi VI, S. 10 ff.
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