Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 29
von sumpfigem Gelánde abgelöst wurde. Dann steil hinauf, und wir hielten
vor einem gröBeren Gehöft, in dem wir auf dem Riickweg mit Skyr und
Milch bewirtet werden sollten. Das letzte Stiick bis zum Wasserfall muBte
zu FuB gemacht werden, und wenn sich meine Begleiter mit dem Anblick des
Falles von der Höhe aus begniigten, so lieB ich es mir doch nicht nehmen,
den Bach zu durchwaten und vom jenseitigen niederen Ufer ein paar Farben-
aufnahmen zu machen. Das eiskalte Wasser und das scharfe Geröll waren
gerade keine Annehmlichkeit.
Ins Bauernhaus zuriickgekehrt, wurden wir reichlich mit frischer Milch,
Brot, Butter und Skyr bewirtet; wie schmeckte uns das Nationalgericht nach
diesem FuBmarsch; hatten wir doch vergessen, uns mit Proviant zu ver-
sorgen. Wie die Hinfahrt, so verlief auch die Rúckfahrt: uber Stock und
Stein, durch Wasser und Sumpf, aber der kleine Wagen hielt Stand, und
die trúben Befúrchtungen, deren wir uns nicht erwehren konnten, gingen
nicht in Erfúllung.
Am zweiten Tage war ich schon frúh auf Deck. Die Sonnenstrahlen tauchten
die Esja in einen Farbenschleier, von dem ich nicht wuBte, ist’s rot, ist’s
blau oder violett ? Bis sich herausstellte, daB diese Töne sich wáhrend des
prachtvollen Sonnenaufganges immer abwechselten. Mit der höher kommen-
den Sonne kam auch der Dunst vom Wasser her, der die Esja wieder ein-
húllte, aber der Osten lag in voller Klarheit. Ob das Wetter hált?
Wie am Tage vorher brachte uns der Kraftwagen in schneller Fahrt úber
die Mosfellsheibi zum Heiligtum der Islánder, nach 'Þingvellir. Die zwei-
stúndige Fahrt auf der schlechten StraBe durch die weite öde, die in der
Feme von erloschenen Vulkanen umkránzt ist, fúhrt zu einen Höhepunkt,
von dem aus das weite Gebiet der Niederung mit dem See úberblickt werden
kann. Langsam ging die Fahrt hinunter in die Almannagjá, wo wir den Wa-
gen verlieBen. Man muB allein sein, wenn man nachdenkend auf dem Ge-
setzesfelsen steht und in Gedanken die Jahrhunderte vorbeiziehen láBt, in
denen hier die Gesetzgeber Islands ihres Amtes walteten. Ein heiliger Zauber
liegt in der schwarzen Schlucht und man atmet förmlich den Geist der alten
Germanen, von denen hier mancher seine Ruhestátte gefunden haben mag.
Práchtig ist der Blick von der Ostwand: Das vulkanische Gebiet liegt in ganz
anderen Farben da, als wir Mitteleuropáer gewohnt sind; das Grún der Matten
und Hánge ist nicht das unserer Berge, die dunklen, erloschenen Vulkane,
die dústere Almannagjá mit der scháumenden öxará, das blaue Þingvallavatn
mit dem hochsteigenden Dampf des Litli-Geysirs an der Súdseite des Sees,
zum SchluB das rote Kirchlein in der grúnen Aue und die paar Bauemháuser,
sie blieben haften in unserem Auge trotz des Zaubers, den die Mitternachts-
sonne auf Jan Mayen und die fabelhaften Fjorde und Buchten Spitzbergens
25