Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Blaðsíða 33
als allgemein bekannt sei; doch sei das jetzt nicht leicht festzustellen. Es war mir eine
interessante Entdeckung, an einer Stelle iiber ihn einiges zu finden, wo man keine
Nachrichten iiber Islánder erwartet. Es fiel mir gerade einmal ein zweibándiges eng-
lisches Werk in die Hand, in dem A. Gaílenga, der Berichterstatter der „Times" im
dánischen Hauptquartier 1864 von seinen Beobachtungen und ‘Erlebnissen wahrend
des deutsch-dánischen Feldzugs erzáhlt.
Im x. Band, S. 120 ff., lesen wir folgendes:
„Ich traf zusammen mit dem vielleicht verstándigsten Mann in ganz Dánemark. Das
ist Herr Gtimur Thomsen, ein Islánder, der an der Spitze des Consulardepartements im
Auswártigen Amte steht. Ich hatte Schreiben an ihn aus London, und nachdem er
mich zum Diner bei Vincent, dem groBen Restaurant hier (d. h. in Kopenhagen) ein-
geladen hatte, lud er mich ein, am Sonntag ein paar Stunden in einer Vorstadtvilla
mit ihm zuzubringen, die er Sommer und Winter bewohnt, auBerhalb der österbrogade,
in der Náhe einer Windmiihle mit fiinf Fliigeln. . . . Ich hatte bisher nicht viele ein-
heimische Islánder getroffen, aber jetzt habe ich reichiiche Gelegenheit, eine stattliche
Zahl von ihnen zu sehen, bei Herrn Thomsen, da seine Landsleute ihn als ihr natúr-
liches Haupt ansehen und sicher sind, freundliche Aufnahme zu finden, wenn sie ihn
am Sonntag aufsuchen, wo er es fúr seine Pflicht hált, unfehlbar zu Hause zu sein.
Seine Ansprúche sind sehr gering und seine Lebensweise sehr bescheiden; aber ebenso
groB ist seine Gastfreiheit. Ein alter Junggeselle, lebt er ganz allein, wenn wir nicht etwa
als Gesellschaft zwei zottige Pferdchen aus seiner islándischen Heimat ansehen wollen,
und die treue Wamba, einen schönen Apportierhund, — lauter Lieblinge die ihm Frau
und Kinder ersetzen. Die Bedienung, die G. Thomsen selbst braucht — und sie ist
recht geringfúgig, besorgt eine alte Frau, die in sein Heiligtum so wenig als möglich
hineingelassen wird; aber die Fúrsorge fúr seine stummen Freunde besorgt er allein;
er ist sein eigener Diener, Stallknecht und Hundewárter. Der Hund hat das Vorrecht
zu gehen, wohin sein Herr geht, und die Pferde haben einen Reiter, der ihrem Kopf
nachgibt und ihnen gestattet, mit ihm drauflos zu laufen, rechts, links, irgendwohin,
nur so, dafl sie schneller als der Wind dahingaloppieren. Der hitzige, schlagfertige
Islánder hat nichts gemeinsam mit den gesetzten und etwas langsamen dánischen
Reichsgenossen. Herr Grimur Thomsen hat zwei matte, ausdruckslose Augen, in denen
ein Fremder nicht lesen kann, was er denkt, deren Beobachtungsfeld aber weiter reicht
als der Gesichtskreis der Durchschnittsmenschen. Der Gesichtsausdruck ist leer, die
Gesichtsfarbe bleich und es ist etwas Ungewandtes und Unausgeglichenes in seiner
ganzen áuBeren Erscheinung. Ebenso sein Inneres: man kann es nicht auf den ersten
Blick ergrúnden, auch nicht auf den zweiten, aber er verdient sorgfáltiges Studium und
aufmerksame Beobachtung. Herr Thomsen ist ein sehr unterrichteter Mann und alle
nordischen Gelehrten in England legen den gröBten Wert auf seine Bekanntschaft. Er ist
ein treuer Diener der dánischen Krone, ein klardenkender Politiker, ein aufrichtiger
Patriot. Aber sein Denken ist zu núchtern, um irgendeinem Gefúhle EinfluB zu ge-
statten; sein Urteil úber Menschen und Dinge zu klar, als daB er irgendeiner schönen
Einbildung nachgeben könnte. „Sie werden eine Menge tolles Geschwátz hören tiber
unsere Bereitwilligkeit zu maBlosen Opfern“, sagte er mir gleich beim ersten Gesprách.
„Wir sind aber ein ernstes, festes Volk, und es kann kommen, was will, wir werden uns
keine Schande machen. Wir werden keinen Zoll Landes den Feinden abtreten, den wir
halten können. Die Deutschen dúrfen von unserer Seite keinerlei Nachgiebigkeit er-
warten; sie können haben, was sie uns mit Gewalt entredBen können, aber keinen Strich
darúber; aber wir werden auch auf unserem Standpunkt nicht verharren, indem wir
den Widerstand fortsetzen bis zum Gipfel reiner Halsstarrigkeit. Wir sind keine Feig-
linge, darf ich wohl sagen, und wissen wohl, was wir uns schuldig sind; aber wir sind
uns auch klar, daB Heldenmut mit Vernunft gepaart, Mut mit Umsicht uns am ersten
instand setzen kann zu glúcklichem Ausgang zu kommen. Sie werden in uns keine
Vabanquespieler finden."
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