Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1926, Blaðsíða 4
Fliigeln die Eier verlieB und sich des Ráubers zu erwehren versuchte; doch
entfernte sich die Ente niemals weiter als höchstens i m vom Neste, und
jedesmal, wenn der Rabe Miene machte, die Eier zu ráubern, schliipfte sie
mit groBer Behendigkeit herbei und bedeckte das Gelege mit ihrem Körper.
Der ungleiche Kampf dauerte nahezu 4 Minuten, ohne daB die beiden
Vögel sich im mindesten um mich kiimmerten. Erst als ich mit Rava-
brocken nach dem Ráuber warf, lieB er von der Ente ab und flog langsam
und schimpfend davon. Ich war kaum eine Viertelstunde entfemt, da sah
ich, wie der Rabe schon wieder úber dem Nistplatze schwebte. Als ich am
Nachmittage das Nest wieder aufsuchte, war es leer. tíbrigens nistete nur dies
eine Kolkrabenpaar auf Heimaey. Eiderenten gab es viele. Eine groBe Ent-
táuschung bereitete mir das gánzliche Fehlen des Regenbrachvogels (Nume-
nius phaeopus E.) isl. Spói, und des Goldregenpfeifers (Charadrius pluvialis
L.) isl. Heiðlóa. Im Jahre 1908 hatte ich noch 3 Párchen Goldregenpfeifer
und zahlreiche Regenbrachvögel beobachtet. Hantzsch fxihrt diese beiden
Arten in seinem bekannten Werke gleichfalls als sichere Bmtvögel auf den
Westmánnerinseln an. Wamm sie in diesem Jahre fehlten, und ob sie schon
lángere Zeit nicht mehr auf Heimaey nisten, vermag ich nicht zu sagen.
Mit kaum zu bezwingender Sehnsucht betrachtete ich jeden Morgen den
Strand in der Seitenbucht des Ystiklettur. Immer Sturm; immer dieselbe
Brandung! Niemand findet sich, der uns hiniiberrudert. Der Konsul will
uns nicht ziehen lassen und wamt bestándig, trotzdem ich ihm sage, daB
dort oben die beruhmten Brutstátten der Skrofa (Puffinus puffinus. Brúnn.)
und der Sjósvala (Oceanodroma leucorrhoa Vieill.) sich befinden. 1908 bin
ich einen Tag und eine Nacht mit den Vogelfángern oben gewesen. Eine
unvergeBliche Nacht voll wilder Romantik und fúr einen Ornithologen
unschátzbarer Erlebnisse: Damals habe ich selbst einen Sturmtaucher,
diesen elegantesten und schnellsten Flieger des Ozeans, vor seiner Nesthöhle
mit der Hand gegriffen; er steht jetzt wohlprápariert im Bremischen Mu-
seum. Diesmal wollte ich ihm und der Sturmschwalbe nur einige gute
Aufnahmen abgewinnen. So nahe am Ziel und nicht hingelangen können!
Am 2. Juni fahren wir mit den Eiersammlern nach Hellisey; ein ereignis-
reicher Tag. Das Wetter ist herrlich; um 7 Uhr fahren wir mit dem Motor-
boote ab. Wir sind 12 Mann an Bord, lauter verwegene Gestalten. Ich
muBte lácheln: sie alle hátten meine Söhne sein können. Nach gut ein-
stúndiger Fahrt sehen wir den wunderlich schroffen Felsen vor uns liegen;
das Beiboot wird lángsseit gelegt und zunáchst drei von unseren Ueuten mit
Seilen und Körben ausgebootet; und dann sehen wir vom Schiff aus, wie diese
drei Burschen an der steilsten Wand emporklettem und in kurzer Zeit wohl
80 m úber uns, jeden kleinen Zacken benutzend, förmlich an den senkrechten
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