Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1926, Blaðsíða 30
plastischen Darstellungen germanischer Frauen, die dem Buch zum Schmucke ge-
reichen.
5. Nordische Heldensagen nach Saxo Grammaticus. Dánische Heldensagen nach Saxo
Grammaticus. Herausgegeben von Paul Herrtnann. Jena, Diederichs, 1925. Je 2 Mk.
Derselben Sammlung „Deutsche Volkheit" wie der eben behandelte Band gehören
diese beiden Biindchen an. Der Herausgeber, man kann ruhig sagen Verfasser, der durch
seine Saxoubersetzung und dem vor 3 Jahren erschienenen Kommentar seine griindliche
Vertrautheit mit der nordischen Heldensage so glánzend gezeigt hat, hat uns hier eine
Gabe beschert, die gar nicht genug geruhmt werden kann. Er hat sich keineswegs be-
gnúgt, aus der Saxoubersetzung passende Stucke auszuschneiden, sondern er hat das
reiche in Saxos schwerflússigem Latein gegebene Material in die Form islándischer
Heldensagas gegossen und damit eine herrliche Lektúre geschaffen. Noch sind uns die
Helden fast unbekannt; nun ist der Zugang eröffnet, und wer z. B. die Starkardsaga
in dieser Darstellung gelesen, der hat ein lebendiges Bild und einen Eindruck in nord-
germanisches Wesen in der Heldenzeit gewonnen, der einfach unvergeClich bleibt. Man
kann bei diesen Arbeiten von Nachdichtung sprechen; aber der Ausdruck darf nicht
miBverstanden werden: es handelt sich nicht um freie Gestaltung unter Zugrundelegung
eines gegebenen Sagenstoffes, sondern um eine Wiedergabe, die sich streng an den
úberlieferten Text anschlieBt, nichts Fremdes hineintragt, sondern dessen Grundlage
wieder herauszuarbeiten sucht: eine Arbeit, die auf der grtindlichsten Erforschung des
Materials beruht und auf genauer Kenntnis des germanischen Altertums und seiner
Literaturformen; dazu kommt dann die Fahigkeit, den poetischen Gehalt zu erfassen
und mit glánzender Beherrschung der Form eine Darstellung zu erreichen, daB man in
den erzáhlenden Abschnitten den Ton der islándischen Heldensage, in den poetischen
den Klang Von Eddaliedern zu hören vermag. Trotzdem ist Saxos Eigenart nicht ganz
aufgegeben: auch ihn hört man mitunter deutlich reden, auch ohne daB man jedesmal
gleich seinen Text aufschlágt. Auch die neue und selbstándige Prágung des Bjarki-
und des Jngjaldliedes wird man neben Olrik-Ranisch (Nordisches Geistesleben, 2. Aufl.,
5. 181 ff.) und Genzmer (Edda I, 2. Aufl., S. 178 ff.) willkommen heifien.
So können denn diese beiden billigen und doch so gehaltvollen Bándchen reichenSegen
stiften; wir danken dem Verfasser ftir die práchtige Gabe und freuen uns herzlichst, daB
unser geehrter Vorsitzender als eine reife Frucht eines fleiBigen Gelehrtenlebens den
Zugang erschlossen hat zu Stoffen germanischer Heldensage, die so weit ich sehen kann,
noch fast unbekannt geblieben waren, da sie erst von dem umrankenden Gestrúpp los-
gelöst werden muBten. Dies ist meisterhaft geschehen. Möge der Erfolg der Arbeit so
groB werden, wie sie es verdient.
6. GUÐMUNDUR KAMBAN, Ragnar Finnsson, ein Roman, úbertragen von E. v.
Hollander-Lossow. Braunschweig, Westermann, 1925. Geb. 8,50 Mk.
Die Aufgabe unseres Blattes ist nicht, moderne Literatur als solche zu behandeln;
wenn wir hier von Werken der sog. scliönen Literatur reden, geschieht dies nur, insofern
Island davon berúhrt wird. Da ist denn zu sagen, daB der Verfasscr dieses Buches ein Is-
lánder, ein bereits ziemlich bekannter Schriftsteller und Theaterleiter ist, von dem meh-
rere Dramen (Hadda Padda, Kongeglimen, Vi mordere) aufgefuhrt wurden, und jetzt
Regisseur am Dagmartheater in Kopenhagen ist. Er ist auch einige Zeit in Amerika ge-
wesen. Schon daraus ergibt sich, daB wir hier nichts im engeren Sinne Islándisches zu
erwarten haben. Die Hauptpersonen des Buches und seine Umgebung in der Jugend
sind Islánder, im weiteren Verlauf aber ist der islandische Name nur eine ÁuBerlichkeit,
die mit der weiteren Entwicklung der Erzáhlung nichts zu tun hat. Eigentúmlich, wie
man es bei modernen islándischen Erzáhlern vielfacli findet, ist die Kunst des Verfassers
Einzelszenen packend herauszuarbeiten, man möchte fast sagen, sagaartig, wáhrend dann
das Interesse wieder seitenlang erlahmt. Die meisten Personen sind sehr lebendig ge-
schildert; man liest daher das Buch mit Spannung bis zu Ende, auch wenn man die
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