Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1934, Síða 7
Macht- und Grundbezirke in einer Hand, in einer Familie vereinigt wurden; so
standen sich zuletzt einige wenige Hauser als die untereinander verf ehdeten Macht-
haber der Insel gegeniiber, ein Zustand, der naturnotwendig auf die Entstehung
einer Alleinherrschaft hindrangte. Diese Entwicklung ist durch das Eingreif en der
norwegischen Könige abgebrochen worden. Sie wuöten sich die Zerrissenheit des
isliindischen Volkes zunutze zu machen, die Mittel, die sie gebrauchten, sicherten
ihnen den Erfolg: die Islander selbst und die Kirche. Seit 1152 gehörte Island zum
Erzbistum Drontheim, uber das der norwegische König die Scliirmvogtei ausubte.
Seit der Aussöhnung der geistlichen und weltlichen Macht in Norwegen (1202—3)
konnte es König Hákon nur recht sein, wenn der Erzbischof die Ansprúche der
Kirche auch auf Island gegen die weltliche Macht durchzusetzen versuchte. Hier
war ihm die Möglichkeit geboten, sich in die islandischen Verháltnisse einzu-
mischen und in ihnen FuB zu fassen. Ein noch wirksameres Werkzeug aber fand
er in den Islándern selbst, die nach althergebrachter Sitte zwar, aber doch in
einem weniger freien Verháltnis als frúher am norwegischen Königshof sich auf-
hielten und Dienst taten. Nach zwei vergeblichen Versuchen mit Snorri Sturluson
und Sturla Sighvatsson, die beide den grausam gefuhrten Kámpfen um die Vor-
herrschaft zum Opfer fielen, gewann der König in Gizur Thorwaldsson aus dem
Geschlecht der Haukdælir den Mann, der seine Absichten verwirklichte. Nach
zwei Jahrzehnten voller Unruhen, Aufstánde, Ránke und Totschláge gelang es
Gizur, den der König als Jarl tiber die Insel gesetzt hatte, in den Jahren 1262—64
nacheinander das Nord-, Stid-, West- und zuletzt auch das Ostland zur förmlichen
Unterwerfung unter den norwegischen König zu bringen.
Im Jahre 1264 wurde der Vertrag bindend, der schon auf dem Alding des
Jahres 1262 mit dem norwegischen König eingegangen worden war1. Er besiegelte
das Schicksal des Freistaates. Wie weit er jedoch den Islándern ihre Selbstándig-
keit lieB, wie weit er sie ihnen nahm, darum ging spáter der Streit, weil aus der
Auffassung dieses Vertrages das geschichtliche Recht der Islánder auf pohtische
Unabhángigkeit zu verbúrgen oder abzustreiten war. Die neuesten Untersuchun-
gen dieses Gegenstandes von dem islándischen Rechtslehrer Einar Arnórsson2,
die den Eindruck strenger Grúndlichkeit und Sachlichkeit machen, scheinen end-
gúltig erwiesen zu haben, daB die dánische Auslegung des Vertrages (Larsen,
Berlin) von tendenziösem Vorgehen nicht freizusprechen und die von Jón Sigurds-
son und K. Maurer vertretene Auffassung als die geschichtlich allein zu haltende
anzuerkennen ist. Die wichtigsten Gegebenheiten des Vertrages sind diese:
1. Es handelt sich um einen auf Gegenseitigkeit beruhenden Vertrag.
2. Die Islánder úbernehmen lediglich zwei Pflichten:
1 Der Wortlaut des Originals in Rikisréttindi, S. lff. 2 Réttarstada, S. 65ff.
127