Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1934, Blaðsíða 17
Wesen zu ahnen begann. Nur den Wein hat es fiir alle Zeit mir geschenkt, den
Wein, der meine Freude belebt und meinen Kummer beschwichtigt hat, der mir
der einzige treue und feste Freund gewesen ist mein Leben lang. Nmi hat man
auch diesen letzten Lichtschimmer weggescheucht von mir. Und wofiir sollte
ich da dankbar sein ?
Aber ich brauchte hierfiir nun gerade nicht Thorir die Schuld zu geben. Er ist
doch immerhin der einzige, der etwas tut fiir mich. Ja, er hált mein armseliges
Leben aufrecht und verlangt dafiir Dank und Untergebenheit. Er macht sich
zum Mittler der Yorsehung iiber mir. Und da muB er damit zufrieden sein, weim
ich ihm so viel Dank abtrage, wie dieser Yorsehung meiner Meinung nach zu-
kommt.
Nun, ich halte Thorir eigentlich nicht fiir einen schlechten Menschen. Er ist
gewiB weder das eine noch das andere. Als er von dieser Sache zu mir sprach,
wuBte er vielleicht nicht, daB ich es mir so zu Herzen nehmen wiirde. Bildung
macht die Menschen empfindsam, und Thorir ist ungebildet, er hat nie auch nur
eine Spur von Bildung oder Geschmack besessen. Das sieht man am besten daran,
daB er die Sigurlaug hat zur Frau nehmen können. Ich werde niemals ein Hehl
daraus machen, das das ein erbármlicher Geschmack ist. Ich hátte niemals ein
Auge auf eine solche Frau werfen können, als ich in seinen Jahren war.
Und wenn auch nur die Hánde so gewesen wáren und diese ebenso kleinen
FiiBe! Ganz sauber ist sie auch nicht; sie fiihlt sich am wohlsten, wenn sie in der
Kiiche herumwirtschaftet oder sich in ihrem Melkrock zwischen den Schafen her-
umtreiben kann.
Ich wollte nun allerdings auch kein Bauer werden. Und Sigurlaug ist eine tiich-
tige Wirtschafterin, sie ist die Tiichtigkeit selbst. Das hat Thorir erkannt. Denn
ein guter Bauer ist Thorir, niemand spricht ihm das ab. Und man kann ja schlieB-
lich einiges zusammenbringen, wenn man eigenniitzig und knauserig ist, so wie er.
Friiher ist hier auf Gil die Wirtschaft auch ohne das gut gegangen.
Wahrscheinlich freut er sich am meisten iiber dieses Alkoholverbot aus Hab-
sucht. Er glaubt mit der Zeit auch noch die paar Pfeimige erwischen zu können,
die ick heimlich bewahrt habe, um mir zuweilen einen Tropfen kaufen zu können.
Die aber bekommt Thorir nie. Lieber werfe ich sie in den tiefsten Grund der
Schlucht hier, wenn ich mir keine gute Stunde mehr damit bereiten kann!
Die Gesetze brechen! Als ob es mir jemals in den Sinn kommen könnte, die
Gesetze zu brechen! Nicht als ob ich sie achtete oder furchtete! Ich verachte
geradezu die meisten von ihnen, ebenso wie ich den Pöbel verachte, der sie ge-
macht hat. Ja, war es nicht der Pöbel, der in der Französischen Revolution die
Herrschaft an sich riB ? Und behaupten nicht noch heute diese weisen Gesetz-
geber, auf ihren Grundsátzen aufzubauen ? Ich diirfte wohl Bescheid wissen hier-
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