Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1934, Page 21

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1934, Page 21
Dieser Duft und dieser Geschmack wecken Erinnerungen, als ob icb die Sym- phonie wieder hörte, die an dem vollsten Abend meines Lebens hinwegrauschte iiber mich. f f Asdis! Asdis! Nun sitze ich hier ausgelebt und einsam in Schnee und Eis und muB einen Becher nach dem andern leeren, um mich warm zu halten. Sobald aber die Erinnerung wach wird an dich und ich deinen Namen nenne, beginnt mein Herz mir schneller zu schlagen, und das Blut steigt mir zu Kopf. Wie soll ich dich beschreiben ? Ich weiB nicht, ob du schön warst, ob du Gaben hattest, ob Du gut warst. Ich habe nichts zum Yergleich. Seit ich dich gesehen, waren mir alle anderen Frauen nur wie ein Bruchstiick von dir oder ein Schatten. Yiele Frauen hatte ich vor dir gesehen, Sterne von verschiedener GröBe. Ich hatte sie angebetet und besungen — aber ich wuBte nicht, was ich tat. Da erschienst du mir, gingst mir auf wie die Sonne. Die Sterne erbleichten nicht neben dir, sie schwanden. Ich sah nur dich, dich allein. Yom ersten Augenblick an, wo ich dich sah, warst du die Frau, die einzige Frau. Und ich fiel in den Staub dir zu FiiBen. Ich sah auf zu dir in schweigender Ver- ehrung. „Menschen greifen nicht nach den Sternen". Wer wiirde da sich erkiih- nen, nach der Sonne selbst zu begehren, der brennenden, gluthellen Sonne ? War es meine schweigende, innigweiche Hingabe, die mich dessen wiirdig mach- te, dich zu genieBen ? Oder war es nur eine von deinen Launen ? Ich weiB nur, daB du hinabstiegst zu mir und dich meiner Gewalt iiberlieBest. Dich meiner Gewalt iiberlieBest! Nein, du nahmst mir alle Gewalt iiber mich selbst, du machtest meinen Willen zu einem Bruchteil deines eigenen Willens. Du selbst warst hinterher ebenso kiihl wie vorher, kiihl und stark wie die Berge unse- rer islándischen Heimat, die iiber deiner Wiege gewacht hatten. Nur einen Abend besaB ich dich und eine Nacht, doch wenn ich denke daran, so ist es mir, als wenn ich niemals zuvor oder nachher eigentlich gelebt hátte! Wir saBen in einem Weingarten und tranken Steinberger. Am Abend fuhren wir hinaus in den vollbelaubten Wald; es war um Johanni. Wir fuhren heim zu mir. Das war der Gipfel meines Lebens. Seitdem bin ich nur immer den steilen Hang hinuntergestiirzt — gewálzt — gekollert... Asdis! Ásdis! Ja, mein ganzes Leben hast du mir verdorben, alle meine Luft- schlösser mir zerstört! — Aber ich vergebe dir alles. Dieser paar seligen Stunden wegen. Was hátte ich davon, wollte ich versuchen, dich zu hassen ? Das wáre doch nur der kraftlose HaB eines schwáchlichen Alten. Er wiirde verbrennen im Feuer der Liebe. Denn immer noch liebe ich dich mit der gliihenden Liebe des Fiinfund- zwanzigjáhrigen. Wozu auch der Schwachheit sich schámen, dir den Bing und die Locke nicht wieder ins Gesicht geworfen zu haben, die ich dir raubte ? Ich konnte es nicht. 141

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