Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1934, Blaðsíða 25
voll war von Schmerz und Gram. Ich verachtete dich, weil ich selber geschmáht
nnd verachtet war.
Aber ich will nicht sprechen mehr davon. Sprechen will ich davon, wie ich dich
immer geliebt habe. Und jetzt, wo ich jung bin und stark, will ich arbeiten fiir
dich, will ich dich lehren und dir neue Wege weisen. Und du mufit mir folgen und
mir huldigen.
Ich tráumte einen anderen Traum, einen háBlichen Traum, lauter háBliche
Tráume. Ich tráumte, daB du daran wárest, den Gott des Weines aus diesem Land
zu verbannen.
Das kann nicht wahr sein. Ruft es alle mit einer Stimme: ,,Das ist nicht wahr!“
Islándisches Volk! Immer hast du geliebt, was schön war. Nach der Ruhe des
Tages hast du die traumschönen Márchen geliebt und die Fruhlingssonne nach
dem Winterdunkel.
WeiBt du nicht mehr, daB der Wein es war, aus dem die Dichtkunst in die
Welt geboren wurde, der heilige Met der Götter ?
WeiBt du nicht, daB der Wein noch heute die gewöhnlichen Sterblichen zu
Dichtern macht und daB er den Dichtern die Flugel spannt in das Land der Ge-
sichte ? Und den Gott all dieser Zauberwelten willst du in Acht und Bann tun ?
Du sagst, daB der Wein Ungluck bringe úber viele Menschen.
Das mag sein. Der Gott des Weines ist gewiB ebensowenig allein unterwegs wie
andere Götter. Ihn begleitet der Schmerz ebensogut wie die Freude. Aber soll er
deshalb des Landes verwiesen werden ?
Willst du so tun wie die Riesen unserer Berge, die davon sprechen, ein Zeltdach
tiber ihr Tal zu spannen, damit kein Schnee hineinfalle ?
Willst du noch törichter sein als die Trolle ? Denn die Trolle lieBen davon ab,
das Tal zu tiberspannen. Sie sahen, daB es seine Schönheit verlor, wenn die Sonne
nicht mehr hineinscheinen konnte.
Du weiBt, daB die Fahrt des Weingottes Sonnenstrahlen entztindet und diese
Strahlen darfst du nicht missen, auch wenn du sie mit Schmerzen erkaufen muBt.
Glaube mir, es ist besser, einmal Sonnenschein und einmal Schneesttirme zu
haben, als von den Schneesttirmen befreit zu werden und die Sonne dartiber zu
verlieren.
Du bist den Wechsel gewohnt, dein Land ist die Heimat der sttirzenden Wand-
lungen. Du hast Kraft, die Schmerzen zu tragen, nicht dulden aber willst du die
Leere. Du darfst auf keine Freude verzichten, die dir frei steht.
Und mit diesem Bann legt es sich wie ein kalter Schatten tiber das Land.
Dumpfer wird das Gesicht des Volkes, ármer das Leben der Seele. Schweigsam und
kalt, mit erktinsteltem Lácheln und leerem Gerede sitzen die Menschen in der Ge-
sellschaft, dort, wo nicht mehr „der Trank der Götter die Herzensglut schtirt“.
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