Gripla - 20.12.2005, Page 82
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von 1316 bez. des Christengesetzes und der sáttmáli zwischen den Isländern und dem
norwegischen König. Noch jüngeren und verschiedenen Datums sind juristische Notizen,
Besitzvermerke, weltliche und geistliche Sprüche auf 1v-2r sowie Formulare und juristische
Notizen, ein Text zur Bedeutung des Eides, ein Bibelzitat, eine Gesetzesnovelle Håkons, eine
kleine Tabelle über Zehntenabgaben und Bußzahlungen sowie geistliche Statuten auf 107v-
114r, s. Kålund 1889/1894, Bd. 1:423 f.
8 Deutliche Unterschiede sind etwa bei den Unterlängen von f und fl zu beobachten; für seine
Hilfe und diesbezüglichen Hinweise danke ich Stefán Karlsson.
teinischen Texte zu Beginn bewußt einen anderen Buchstabentyp gewählt hat.
Kleine Abweichungen in einigen Buchstabenformen sind gleichwohl ein
Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Schreiber die Abschnitte vor der
Illumination des Hl. Olaf eventuell erst später geschrieben hat als den Text der
Jónsbók, weil die Abweichungen, die in diesen Abschnitten gegenüber den
Buchstabenformen in den Rechtstexten ab 6v zu beobachten sind, sich
ansonsten erst weiter hinten im Kodex, im Christenrecht zeigen.8 Auch die
Besonderheiten der 10. Lage, in der sich der Übergang von der Jónsbók zum
Christenrecht befindet und deren 8 Blätter nicht aus vier Doppelblättern ge-
bildet sind, sondern mit Falz versehene bzw. angenähte Einzelblätter ein-
schließen, deuten im Zusammenspiel mit den Abweichungen in den Buch-
stabenformen auf eine spätere Verbindung dieser Teile, im Zuge derer auch
die jetzige 1. Lage hinzugefügt sein worden dürfte.
Das Konzept der ursprünglichen Kompilation der religiösen Texte ist nun
auf der Grundlage der ältesten Teile des Kodex zu rekonstruieren. Auf der
Textoberfläche zeigt sich eine Linie, welche über die Bedeutungen und Im-
plikationen des Wortes (verbum) verläuft – sie reicht vom lógoß im Prolog
des Johannesevangeliums (JNprincípío erat uerbum etc.) über den uómoß in
der Passage über Moses und die Zehn Gebote und weiter zu den Gesetzen der
Jónsbók und der kirchlichen Gesetzgebung (Kristinréttr Árna biskups und
Kristinna laga fláttr). Verbum als eine Übersetzung von lógoß in der wört-
lichen Bedeutung „Wort“, „Verstand“ ruft die mit ihm verbundenen theo-
logischen Konzepte auf: Das Wort ist ein Vermittler zwischen Gott und
Mensch, es kann sich mitunter in direkten normativen Verhaltensregeln wie
den Zehn Geboten ausprägen, die folgerichtig als Grundlage aller christlicher
Gesetzgebung aufgefaßt werden. In der Arnarbælisbók wird dies explizit
festgehalten:
Nu er | her ender aa moÌses logum. ok ma rettliga k|allaz at flau se
grunduollr ok under sta|da allra kristinna lága. (5va19–22).