Gripla - 20.12.2005, Side 101
RECHT UND HEIL 99
einen Vergleich an, als auch der Sachsenspiegel durch vorangestellte Text-
und Bildelemente das Recht legitimiert und zudem hinter diesen Elementen
ein Konzept greifbar wird, das eine Parallele zum oben analysierten Kom-
pilationskonzept in der Arnarbælisbók darstellt. Das erste Buch des Land-
rechtes beginnt mit einem Kapitel, das die Zwei-Schwerter-Lehre aufgreift
und erläutert (Wer von gotishalben beschermer des rechtes solle sin. Unde wie
manich recht si.):
Zwei swert liz got in ertriche zu beschermene die kristenheit. Dem
pabiste daz geistliche, deme koninge daz wertliche. Deme pabiste ist
ouch gesatzt zu ritene zu bescheidener zit uf einem blanken pherde,
unde der keiser sal im den stegreif halden, durch daz der satel nicht
umme wanke. Diz ist de bescheidunge: waz deme pabiste widerstat,
daz her mit geistlichem gerichte nicht getwingen mag, daz ez der
keiser mit wertlichem gerichte betwinge, deme pabiste gehorsam zu
wesene. So sal ouch die geistliche gewalt helfen deme wertlichen
rechte, ab man ez bedarf. (Sachsenspiegel:29)52
Auch der Sachsenspiegel stellt die dem König eigene Richter- und Herr-
schergewalt als von Gott verliehen dar und legitimiert sie im Rahmen der
Zwei-Schwerter-Lehre. Gleichwohl beschränkt er sich nicht darauf, sondern
betont weitere Aspekte: Für das Verstehen dessen, was Recht ist und was
Unrecht ist, erbittet der Verfasser im Prologus die Unterstützung des Heiligen
Geistes. Gott sei selber Recht, darum sei ihm das Recht lieb, heißt es pro-
grammatisch, und schließlich folgt eine Ermahnung an die irdischen Richter,
daß sie beim Urteilen bedenken sollen, daß auch über sie geurteilt wird – das
Jüngste Gericht spiegelt das irdische:
Des heiligen geistes minne sterke mine sinne, daz ich recht unde
unrecht den Sachsen bescheide nach gotis hulden unde nach der
werlde vromen. Des en kan ich aleine nicht getun, dar umme bete ich
52 „Zwei Schwerter ließ Gott auf Erden, um die Christenheit zu beschützen: dem Papst das
geistliche, dem König das weltliche. Dem Papst ist es auch bestimmt, zu passender Zeit auf
einem weißen Pferd zu reiten, und der Kaiser soll ihm den Steigbügel halten, damit der Sattel
nicht wegrutsche. Dies ist die Erklärung: Was dem Papst Widerstand leistet, das er mit
geistlichem Gericht nicht bezwingen kann, das soll der Kaiser mit weltlichem Gericht
zwingen, dem Papst gehorsam zu sein. Ebenso soll auch die geistliche Gewalt dem
weltlichen Recht zur Hilfe kommen, wenn man dessen bedarf.“