Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Síða 4
mit Schnee bedeckten Gipfel des Heklagebietes auf, und an der Kiiste der
groGen Halbinsel Reykjanes entlang sehen wir eine kandschaft von ver-
háltnismáBig niedrigen Bergen und Hiigeln, zwischen denen Dampfsáulen
aufsteigen, Kennzeichen der Schwefelfelder und Schlammvulkane, die
zwischen den Davaströmen tmd vulkanischen Bruchgebieten dieser Gegend
fauchen. Nicht mehr eine einheitliche Bergkette zieht sich jetzt vor uns
hin, sondem eine Anzahl einzelner, zerhackter Höhen oder Höhengruppen,
die in ibrer Gesamtheit etwas Zerrissenes, Unmhiges, Unzusammenhángen-
des zur Schau tragen. Beim Vorgebirge Reykjanes biegen wir zum islándi-
schen Westlande um. Auch sein Charakter wird zum groBen Teil von mehr
oder minder isolierten Bergmassen — darunter allerdings manche von be-
deutender Höhe und groBem Umfange — bestimmt; nur aus groBer Ent-
femung gesehen, verschwimmen sie zu einem scheinbar einheitlichen Gebirge.
Am FuBe einer solchen Bergmasse, der Esja, dehnt sich iiber ein schwellen-
des Hiigelgelánde hin Islands freundliche Hauptstadt, das jetzt iiber 20 000
Einwohner záhlende Reykjavík. Von hier iiberschauen wir den von unter-
brochenen Höhenzugen umrahmten Faxafjord und erblicken im áuBersten
Nordwesten den formenschönen breiten Kegel des mit ewigem Fim be-
deckten Vulkans Snáfellsjökull, der aus einer Entfernung von etwa 90 k®
strahlend seine GriiBe zu uns heriiberschickt. Zwischen ihm und den emsten
Felskulissen des hohen Nordwestens liegt, in breitem Bogen eingebettet,
der fast 60 km im Durchschnitt messende Breitenfjord mit fast unzáhligen
gröBeren und kleineren, meist flachen Inseln. Von einer dieser Inseln zog
einst der rote Erich zur Besiedlung Grönlands aus, an die sich ums Jabr
1000 die erste Auffindung des Festlandes von Nordamerika anschloB. Die
vielen himdert Inseln und Inselchen des Breitenfjord geben dieser Land-
schaft des westlichen Island ein ganz besonderes Gepráge. Die Kiisten-
landschaft geht nach Norden in die geschlossene Felsbildung des nordwest-
lichen Hochplateaus uber, wáhrend im Osten und nach Súden hin mehi
vereinzelte mittelhohe Bergstöcke und Berggmppen sich dem Bilde des
geschilderten súdwestlichen Naturcharakters Islands einreihen.
So sehen wir das Gesamtbild der groBen Insel, deren Strandlánge rings
hemm sich an 5000—6000 km hinzieht, wáhrend ihr gröBter Durchmessef
von Westen nach Osten fast 500 km und der von Súden nach Norden úbeí
300 km betrágt, als eine Zusammenfassung verschiedenartigsten Wesens und
mannigfacher Schönheit. Als einheitlicher Rahmen umspannt das Land'
schaftsbild das gewaltige nordische Meer mit seinen breiten Wogen, seinef
zomigen Brandung, seinem ewig wechselnden Farbenspiel, zugleich abeí
auch ein gleichmáBig durchsichtig klares Luftmeer, das die Formen des
Landes aus groBen Entfemungen in allen Einzelheiten genauestens erkenneö
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