Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1925, Side 26
Als dann am Morgen des 21. Juli in 50 Meilen Entfernung die steilen Wánde
von Portland an der Siidkiiste der Insel sichtbar wurden, begann fúr uns
eine Periode des Schauens und Staunens; sollten wir doch einen Teil jener
unvergleichlichen Punkte kennen lernen, die wir schon seit Jahren als Reise-
ziel ausersehen hatten. Das Wetter war nicht gúnstig; wenn auch die Sicht
ziemlich gut war, so hingen doch die Wolken stellenweise bis auf dreihundert
Meter herunter und sperrten den Blick auf den Eyjafjalla-Jökull vollstándig.
Diesmal sollten wir ihn nicht zu sehen bekommen!
Ruhig und majestátisch zog dann um die Mittagsstunde unser Schiff an
den Westmanner-Inseln vorúber, aber wáhrend hier gerade oft schwere See
manches Schiff in Not brachte, gönnte uns die Sonne auf einen Moment
den Anblick von Kaupstadr mit seinen grúnen Hángen im vulkanischen Ge-
stein; wie leuchteten die Háuschen im Sonnenstrahl, als wollten sie ihre
Einladungskarte fúr spáteren Besuch abgeben. — Und dies nicht umsonst!
Bald wurde das Wetter wieder diesiger, von der Halbinsel Reykjanes war
wenig zu sehen. In der Ferne tauchte ein kleiner Fischkutter auf, er kam
náher, und groB war unser aller Freude, als wir in ihm einen Landsmann
aus Geestemúnde erkannten. Die drei langen Töne unserer Sirenen hallten
hinúber und mit dem Echo derselben kam auch der GruB jenes Bootes,
dessen Besatzung ihrer Freude durch lebhaftes Schwenken der Mútze er-
höhten Ausdruck gab.
Inzwischen hatten wir durch Funkspruch unserem gerade in der Heimat
weilenden Freunde J ón Leifs die Ankunftszeit gemeldet, und als um die
zehnte Stunde der Anker in islándischem Boden saB, war Herr Leifs mit
seiner liebenswúrdigen Gattin der erste, der nach dem Quarantánearzt an
Bord kam. Das „Willkommen in Island", das wirklich aus vollem Herzen
kam, klingt noch heute in meinem Ohr.
Noch am Abend, es war hell genug, machten wir einen Rundgang durch
die Stadt, die wir aus Frzáhlungen und Beschreibungen lángst kannten. Un-
sere Freunde verlieBen uns die beiden folgenden Tage nicht mehr. Durch
sie lernten wir eine groBe Zahl Islánder und Islánderinnen kennen, die uns alle
mit dem békannten warmen Hándedruck und dem freundlichen geraden
Blick begrúBten. Beide Tage machten wir Landausflúge, zu denen wir der
Schnelligkeit wegen das schmucke Pferdchen mit dem Fordwagen vertauschen
muBten. Am ersten Tage ging es bei regnerischem Wetter zum Tröllafoss am
Esjagebirge. Erst úber viele Windungen hinauf links und rechts ein uraltes
Geröllfeld. Die StraBe war hier in ganz ertráglichem Zustand und der kleine
Fordwagen brachte uns in rasender Fahrt in der endlosen Mosfellsheibi vor-
wárts. Dann war aber die schöne StraBe plötzlich zu Ende und rúcksichts-
los bahnte sich dann der Kraftwagen seinen Weg durch das Geröll, das bald
24