Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1934, Blaðsíða 5
dammt schien; er ist ein Vorláufer der nationalen Bewegung auch in den kleinen
europáischen Volksgruppen, die am Ende des Weltkrieges zur Neugriindung des
finnischen Staates und der Ostseestaaten fiihrte und die zur Zeit noch die Geister
auf den nur von 25000 Menschen bevölkerten Fáröer in Spannung hált; er ist,
rein als politisches Werk genommen, ein Meisterstiick staatsrechtlicher und poli-
tischer Kriegfiihrung.
Sowenig es immer angeht, eine auf eine Wiirdigung bedachte Darstellung eines
Stiickes politischer Geschichte aus der Gesamtheit der Lebenszusammenhánge
herauszulösen, so ist dies doch am allerwenigsten möghch bei einem so kleinen
Volke wie dem der Islánder. Hier sind die verschiedensten Kráfte und Berufe
noch in einer Person vereinigt, und eine entscheidende politische Tat kann und
konnte hier, zumal bei dem damaligen Zustande des Landes und Volkes, nur ge-
tan werden, wenn das ganze Volk mit dem ganzen Einsatz seiner seelischen und
geistigen Möglichkeiten danach drángte. Dies ist um so mehr zu beachten, als in
dem folgenden AufriB der politischen Vorgánge nur deren áufieres Gesicht dar-
gestellt wird.1
I. Die geschichtliche staatsrechtliche Situation Islands am Anfang
des 19. Jahrhunderts
Der Untergang des islandischen Freistaates, die Union mit Norwegen, die Vereini-
gung mit Ddnemark
Im Brennpunkt des Verfassungskampfes, den Island seit einem Jahrhundert mit
Dánemark fiihrt, steht eine staatsrechtliche Frage. Sie greift weit zuriick in die
Geschichte, ohne damit einen rein theoretischen Charakter zu bekommen. Im
1 Die Quellen und Hilfsmittel, auf denen diese Arbeit aufbaut, sind so mannigfaltig und reich,
daB ihre Ausschöpfung den gesetzten Rahmen eines die wesentlichen Ziige heraushebenden
tlberblickes hatte uberschreiten miissen. Auch die Menge der staatsreohtlichen Einzelfragen
galt es auf die Grundfragen zuriickzufiihren. Eine ausfiihrliche Gesamtdarstellung dieses
Zeitraums, die wissenschaftlichen Anspriichen geniigt, gibt es noch nicht; wie die Isliinder
selbst auch jetzt erst an die geistesgeschichtliche Durcharbeitung des 19. Jahrhunderts her-
angegangen sind. Die „Geschichte Islands“ (Islandssaga) von J. Adils (1923) ist nur ein Ab-
riB. Die Geschichte von Diinemark von Dahlmann und Scháfer reicht nur bis zum Jahre 1648
und Danmarks Biges Historie von J. Steenstrup usw. ist auch noch nicht abgeschlossen.
„Islands rechthche Stellung" (Réttarstada Islands) von dem islándischen Rechtslehrer Einar
Amórsson (1913), eine selir griindliche Arbeit, beschrankt sich auf die rein staatsrechtliche
Seite des Problems. Einer Gesamtdarstellung am nachsten kommt die groBangelegte fiinf-
bandige Biographie des Jón Sigurdsson von Páll Eggert Ólason, die an Hand des Lebenslaufes
des Piihrers im Freiheitskampfe auch die politischen Vorgánge betrachtet und allenthalben
weite Ausbhcke auf das geistige und kulturelleLebeneröffnet. PurdieZeitbis 1874gebendie
WerkedesdeutschenRechts-und Literarhistorikers K. Maurer eine gute, z.T. sehr grundliche
zusammenhángendeDarstellung; ihnen gegentiberzustellen sind immer dieArbeitenderdáni-
schen Rechtshistoriker J. E. Larsen und Knud Berlin, die z. T. aus der direkten Polemik mit
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