Die Stimme - 01.02.1947, Blaðsíða 5
DIE STIMME
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I, 1.
me im ganzen Lande nichts aus-
richten, weil dieser Terror psycho-
logischen Ursprungs ist. — Ander-
seits birgt das augenhlickliche Ver-
harren auf dem Nullpunkt aucli
den Keim zu Perspektiven, die den
Deutschén friilier nicht sichtbar
sein konnten. Fiir sie besteht die
Möglichkeit, neu und besser zu
hauen.
Alle Voraussetzungen fiir eine
neue deutsche Politik sollten einer
eingehenden Betrachtung unterzo-
gen werden. Wir mússen uns niclit
nur von Sclilagwörtern lösen son-
dern auch viele der herkömmlichen
Begriffe und Handlungsweisen hin-
ter uns lassen.
Das Verlialten der Besieger
Deutsclilands ist fiir die Zukunft
dieses Landes von grosser, nicht
aber von entsclieidender Bedeutung.
Es giht lieute Menschen die alles
Deutsclie liassen und es daher aus-
schálten möchten. Ihr Bemiihen
kann keinen Erfolg haben. Die
Vergangenheit Deutschlands, sein
Anteil an der Kultur und der
Zivilisation können trotz zwölf
Jahre Hitler-Tyrannei nicht einfacli
liinweggeráumt werden. Zwar kann
das deutsclie Volk durch Hunger
und Seuchen noch weiter dezimiert
Averden. Diejenigen, welche ein
deutsches Volk von 30 Millionen fiir
halb so gefáhrlich halten wie eins
von 60 Millionen, könnten spáterliín
eine Enttáuschung erleben. Die An-
zihl spielt eine kleine Rolle. Der
Geist, der diese Menschen beseelt,
ist von Bedeutung. Im Kriege pfle-
gen die Gesunden und Starken die
grössten Opfer zu bringen. (Aller-
dings bielet die Anwendung der
Atomhombe die Möglichkheit einer
„gerechteren“ Kriegsfiihrung). Zei-
ten des Hungers und der Epidemien
hingegen bewirken durch die Ver-
nichtung alles Schwaclien eine
grausame Auslese der Záhen und
Widerstandsfáhigen. Dies unbarm-
herzíge biologische Gesetz sollte aus
jahrhundertelanger Erfahrung ge-
nugend bekannt sein. Zeiten des
Hungers und der Epidemien he-
wirken bei den Uberlebenden aber
aucli eine Schárfung aller Sinne,
die satten Burgern fast phánomenal
vorkommen muss. So hesteht Iieute
in Deutscldand neben der allge-
meinen Lethargie eine erstaunliche
geistige Regsamkeit.
Die Deutschen tragen nicht nur
die Verantwortung fiir das Ge-
schehene und ihre eigene Zukunft
sondern zu ihrem Teil aucli fiir das
Gescliick der Menschheit.
Es ist eine Schwáche unserer Zeit,
die Bedeutung der Waffen und al-
ler áusseren Gewalt so grob zu iiher-
schátzen. Heute ist das deutsclie
Volk ohne Waffen und Wohlstand.
Aber es ist nicht ohne Einfluss. Aucli
oline Waffen, gerade ohne Waffen
kann Deutschland wieder eine
Grossmacht werden, die von keiner
Armee der Welt zerschlagen werden
wird.
Welche ungeheuerlichen Ver-
brechen in diesem Kriege von Deut-
schen begangen worden sind, weiss
heute die ganze Welt. Frúher oder
spáter musste das Regime der Na-
tionalsozialisten zum Kriege fiihren.