Die Stimme - 01.02.1947, Blaðsíða 8
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DIE STIMME
tisclie Arbeit geformt werden kön-
nen.
Oft genug liaben die Deutscben
sicb zum Werkzeug eroberungs-
sucbtiger Herrscber machen lassen.
Immer sind sie mit ihren Weltbe-
lierrscbungsplánen hereingefallen.
Nun liaben sie die Möglicbkeit, an-
liand neuer Grundlinien eine gute
Politik zu beginnen.
Viele Deutsche werden der An-
siclit sein, dass nur ein bartes Auf-
tretcn gegeniiber den Besatzungs-
máchten dem deutschen Volke die
fundamentalen Lebensrecbte si-
cliern kann. Sie sprechen sogar von
einer Revancbe fiir 1945. Dieserart
Fúrsorge fiir das deutscbe Volk, der
mehr und mebr Deutsche zuneigen,
ist unheilvoll. Jedes Gescliichtsbuch
fiir den Schulunterricbt zeigt, dass
die Revanche bereils den Keim
neuer Niederlagen und weiterer
Kriege in sich trágf. Diese verháng-
nisvolle Kette muss nun zerbre-
chen. Denn alle Umstánde sprechen
dafúr, dass die Zeit reif ist. Die
Niederlage, so fluclibeladcn sie
auch ist, bietet den Deutschen die
seltcne Chance, eine neue Epo-
che in der Weltgeschicbte einzulei-
ten. Darum propagiere ich die
Waffenlosigkeit. Wenn das deut-
sclie Volk mit niemandem Krieg
fúhrt, wird auch keine Macht der
Erde es je unterjoclien können -—
und wollen. Eine Drohung mit der
Atombombe könnten die Deutsclien
dadurch illusorisch maclien, indeni
sie den Amerikanern ihre unzer-
störten Stádte fúr Bomhenabwiirfe
anbieten. Denn Militárs baben an
I, 1.
Siegen, die ihnen geschenkt werden,
keine Freude.
Viele Deutscbe werden ferner dcr
Ansicbt sein, dass sie auf eine Re-
vision der von den Alliierten vor-
gesebenen Grenzen nicht verzichten
können. Das können sie nicbt nur,
sondern sie werden es klugerweise
tun mússen. Denn sie wúnschen in
Zukunft ja eine erfolgreiche Poli-
tik zu betreiben. Das ist aber nur
denkbar, wenn sie nicht wic bisher
ibre Kráfte fiir stetig neue Grenz-
zwistigkeiten vergeuden. Wenn die
Deutschen vertrágliche Menschen
werden, können sie innerhalb jedes
Volkes unbebelligt lcben. Einige
Politiker, dic die Tendenz der Welt-
gescbicbte nicht erfassen könncn,
haben geschrieben, dass die Deut-
sclien diesen oder jcnen Raum zum
Leben benötigen. Ibnen war nicht
bekannf, dass deutsche Minoritáten
unter fast allen allen Völkern ein-
tráchtig leben. Diese Deutschen be-
weisen damit, dass Grenzen keine
Bedeutung haben. Grenzen gehören
iiberbaupt zu jenen Einrichtungen,
die sich lángst iiberlebt haben. Gute
Menschen kann man auf die Daucr
nicht nationenweise voneinander
abgrenzen.
Das deutsclie Volk ist ein Volk
der Mitte. In fruherer Zeit, als
Europa noch die Welt bedeutete,
war es deren Herzstúck. Und heutc,
wo die Welt politisch ganz sclie-
matiscli in West und Ost eingeteilt
wird, sind dic Deutschen in noch
markanterer Bedcutung ein Volk
der Mitte. Die Deutsche können dic
h}rpnotische Fragestellung „Ost