Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1921, Blaðsíða 3
; Warum aber hat die Kindersterblichkeit so sehr nachgelasseu, vor allem
Wenn man von den Epidemien absielit ? Zweifellos steht das in nahem Zu-
Sammenhang mit der Vermehrung der Árzte und Hebammen, aber am-
teichend ist diese Erkliirung keineswegs. Bessere materielle Zustánde und
zU.nehmende Bildung haben zweifellos iliren guten Teil an diesen bedeuten-
den Fortschritten.
Aber die Geburteu- und Kindersterbeziffer erklárt uns keineswegs die
stárksten Schwankungen der Bevölkerungszahl und der allgemeinen Sterbe-
ziffer. 1751—1760 nimmt die Bevölkerungszahl um 5000 ab und dabei sind
t'<pidemien so gut wie gar nicht beteiligt. Die gewaltige Sterbeziffer 1784
und 1785 war ebeufalls nicht durch Epidemien veranlaBt. Im ersten Falle
vvar viel Eis an den Kiisten, viele Schafe eingegangen, der Handel kláglich.
^as fiihrte zu Hunger und Elend, so daB die Deute in Mengen starben. In
áer zweiten Periode war sowohl viel Eis vorgelagert, dazu gewaltige vul-
kanische Ausbrúche (die Ausbriiche an der Skaftá), die zum Verlust von
i'ieren und Menschen fúlirten, so daB in diesem Jahre mehr als jeder 10.
-'iensch starb. Was das Gedeihen am meisten hinderte, Menschen tötete
Ultd das Volk nicht vorwárts kommen lieB, war ganz einfach der Hunger.
Zu Tausend.cn und Zehntausenden sind die Islánder Hungers gesíorben, was
einerseits von schlechten Jahren (Treibeis und vulkanischen Ausbriichen)
áerkam, andererseits von den schlechten Handelsverháltnissen. Das besserte
sich erst, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Handel freigegeben wurde.
Man braucht den Deutschen, die das Elend des Krieges gesehen haben,
nieht zu schildern, wie das Beben in den Hútten der Islánder war wáhrend
der schlimmsten Zeiten. Die Deute gingen in Haufen betteln und starben,
tvetin keine Hilfe zu bekommen war. Alles wurde gegessen, was die Záhne
keiJ3en konuten. Dysenterie, Skorbut Rachitis, Erkrankungeu der Glieder
i°lgten dem Hunger und fúhrteu schlieBlich zum Tod, nachdem die Deute
^it Hunger und Qualen sich lange liingeschleppt hatten. In frúheren J alir-
hunderten konnte niemand auswandern, das verboten die Verkehrsverhált-
Msse. Dagegen beruhte die Bevölkerungsabnahme 1880—1890 auf der Aus-
'vanderung der Deute nach Kanada.
h*as sind die Verháltuisse, unter denen wir Islánder gelebt haben, seit
das Dand besiedelt wurde, es ist keiu Wunder, daB wir es noch nicht weit
gebracht haben. Dberraschend ist dabei, daB hier geistige Bildung sich am
heben erhielt und eine bedeutende und kunstreiche Diteratur aus diesem
Erdreich hervorsproBte.
Alles hat seine zwei Seiten, eine helle und eine dunkle, so sogar die Sterb-
hchkeit. Die Schattenseiten im Deben des islándischen Volkes, die wir ge-
Sehildert haben, gehören zum groBen Teil der Vergangenheit an, die Zukunft
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