Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1921, Blaðsíða 13
daraus unvollstandig. Aus J ón ’Olafssons Schrift hat ferner J ón ’Arnason die
Runenformel mit æsir átta (’lslenzkar þióðsögur, I, S. 449) und in jungster
Zeit ging Iúndroth in seinen Studien iiber die nordisclien Dichtungen iiber
die Runennamen (Arkiv för nordisk filologi 1913) auf sie zuriick. Der junge,
schwedische Runenforscher Ivar Dindquist veröffentlicht nun (iu der Fest-
schrift der Philologischen Vereiuigung an der Hochschule Göteborg, Göte-
borg 1920) aus Jón ’Olafssons Werk die Abschrift einer jetzt verlorenen
islándisclien Handschrift iiber Runen.
Jón ’Olafsson selbst gibt an, daB die Handschrift aus Flatey im Breiða-
fjorð stammte und auf Grund der Schrift uftd der Rechtschreibungseigen-
tiinilichkeiten datiert er sie auf ungefáhr 1550. Durch die Abkiirzuugen
und den der Vorlage nachgeahmten Zug der Schrift macht Jón ’Olafssons
Wiedergabe den Eindruck von Genauigkeit. Wie das Studium der Runo-
iogia zeigt, griindet sich ihres Verfassers Runenkenntnis zum groBen Teile
gerade auf diese Handschrift; seine Auslegungen sind aber vielfach Spiele-
reien ohne wissenschaftlicheu Wert.
Der Teil der Handschrift aber, den Dindquist veröffeutlicht, befaBt sich
mit gewissen fiir Geheimschrift verwendeten Runen. Es handelt sich hier
uni die jiingere, dem Norden eigentiimliche Runenreihe, die um 800 herum
m Brauch kam und gegeniiber der álteren, gemeingermanischen, die 24
Zeichen hatte, nur mehr 16 besaB. Diese Runenreihe wurde in 3 Gruppeu,
sogenannte ,,Geschlechter“, eingeteilt, die, sowie jede einzelne Rune, eigene
Narnen hatten. Diese Eiuteilung gibt auch unsere Handschrift wieder.
Weiter aber enthált sie wichtige Regeln fiir die Auflösuug von Geheim-
runen, Regeln, die zugleich die áltesten sind, die wir aus der Diteratur
kennen.
Eine der vielen Arten von nordisclien Geheimscliriften hat Runen, die
zunáchst aus einem senkrechten Striclie bestehen. An dieseu Strich werden
nun, nach Art uuserer Notenschrift, seitlicli Striche angesetzt, uud zwar
bezeichnen Striche an der linken Seite das „Geschlecht", dem die betref-
fende Rune angehört, jedoch in umgekehrter Reihenfolge der Geschlechter,
so daB ein Strich links das dritte Geschlecht bezeichnet. Die Striclie an
der rechten Seite dagegen driicken die Stellung der Rune iu ihrem Ge-
schlechte aus: 2 Striche rechts und 3 links stehen also fiir die zweite Rune
des ersten Geschlechtes, das ist —u—. Ein áhnhches Verfahren stellen
,,Klapprunen“ dar, die auch in der Handschrift bbschrieben werden.
■Rs ist dies eine Art Zeichensprache: Die Striche der Schrift werden durch
Bchláge mit der Hand ersetzt; zuerst ,,schlágt“ man die Runengruppe,
*fann die Stellung der Rune in ikrer Gruppe.
Die angefiihrten Regeln haben nun ihre Bedeutung fiir die Erklárung
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