Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1931, Blaðsíða 2
II. ISLÁNDISCHE VOLKSLIEDER I
Driíier Bericht
Von Jón Leifs
’orauszuschicken ware: Im Márz-Heft der „Zeitschrift fiir Musikwissen-
V schaft" 1929, S. 365, habe ich iiber zwei Island-Reisen zur Erforschung
der islándischen Volkslieder berichtet. Ich hob dabei hervor, mehr kiinstlerisch
als wissenschaftlich an dem Material interessiert zu sein: ich sehe meine
Aufgabe fiir die Wissenschaft darin, möglichst genaue Anhaltspunkte iiber
das von mir gesammelte Material zu geben, um sie vor etwaigen Trug-
schliissen zu bewahren, denn das gesammelte Material ist leider nicht immer
in gleichem Mafi stichhaltig und fiir wissenschaftliche Forschung verwend-
bar. Man erzáhlt, dafi ein Sprachforscher, der in Island reiste, um alter-
tiimliche und seltene Worte zu sammeln, von den Bauern öfters zum Narren
gehalten wurde, indem sie ihm alle möglichen unsinnigen und erfundenen
Worte aufbanden, die er dann aufgeschrieben haben soll. Selbst wenn áhn-
liche Irrtiimer bei der Volkslieder-Forschung passieren können, so werden
sie, wenigstens in bezug auf die islándischen Volkslieder, heute nicht mehr
von prinzipieller, sondern nur von Detail-Bedeutung sein können. Es ist
dann die Aufgabe meiner Berichte, möglichst genaue Angaben iiber diese
Details zu geben. Wenn mein Interesse sich sonst auf die kiinstlerische Stil-
forschung der Eieder beschránkt, so versuche ich dabei ihre schöpferische
Eigenart zu erkennen und zu studieren. Ich gehe dabei gewifi nicht von den
quantitativen bzw. háufigsten Merkmalen aus, zumal der Stil der heute in
Island gebráuchlichen Volkslieder, trotz des konservativen Sinnes des Vol-
kes, bereits mehr oder weniger von der volksláufigen Musik Skandinaviens
und Europas beeinflufit ist.
In New York verstarb unser Mitglied
PROFESSOR THEODOR WEDEPOHL
Wer sein Malerauge an der islándischen Eandschaft, die
ihm einige reiche Sommer schenkte, hat haften sehen, der
weifi, dafi Island in ihm einen seiner innigsten Freunde
verloren hat.
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