Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1931, Blaðsíða 22
einen glatten Sieg davongetragen. Sie hat zu ihren 19 Mandaten 4 hinzugewonnen,
so daö sie jetzt mit 23 Sitzen die absolute Mehrheit im Alding besitzt. Die Selbstandig-
keitspartei hat von ihren 17 Sitzen nur 15, die Sozialdemokratie von 5 Sitzen 4 be-
haupten können. Ein empfindlicher Schlag fúr die Opposition diirfte die Kichtwieder-
wahl des friiheren Ministers Sigurður Eggertz sein, eines der zielbewuCtesten und
politisch geschultesten Mitgiieder der Seibstándigkeitspartei.
VII. KRITIK
(„Der Kreis": Islandheft)
„Neues Island". Unter diesem Thema steht der gröBere Teil des Dezemberheftes
1930 der Zeitschrift ,,Der Kreis, Zeitschrift fúr kúnstlerische Kultur", Kreis-Ver-
lag, Hamburg.
Endlich eine Zeitschrift von Rang, bekannt durch ihre Höhenlage kunstlerischer
Kritik und ihre Verbundenheit mit den lebendigen Strömen der Vergangenheit und
der Gegenwart, die das geistige, das lebendige Island bis in den Mittelpunkt ihres
Kreises zu ziehen scheint. Leider bleibt es bei dem Schein. Die Ansprúche, die auf
der einen Seite an unsere Bescháftigung mit Island gestellt werden, halten sich nicht
die Wage mit dem, was auf der anderen Seite geboten wird, im Gegenteil.
Was in dem Artikel „Warum Island?" von Ludwig Benninghoff an echter Island-
witterung aus erregten Zeilen spricht, das erstickt er selbst ein wenig wieder, indem
er die irgendwo verfertigte Sage nachschwátzt: „Die Philologen haben Island annek-
tiert", und damit dem Standpunkt seiner hellen Sicht den sachlichen Boden ent-
zieht, seine Unkenntnis bloBstellt; das kommt selbst in dem, was Gunnar Gunnarsson
úber Islands Natur und úber Jón Stefánsson schreibt, nicht recht zum Durchbruch,
das wird zur Unfruchtbarkeit verfálscht in dem ungewöhnlich verstándnislosen und
widerspruchsvollen Bericht von Georg Gretor: Islandliteratur: Subjektive Kritik
und prinzipielle Betrachtungen anláBlich der Neuerscheinungen im Jubiláumsjahre.
So dick hier einige prinzipielle Forderungen zu unterstreichen sind, die subjektive
Kritik ist durchweg unhaltbar. Schon in dem, was Gretor an der Thulesammlung
auszusetzen beliebt, zeigt sich, daB er von falschen Voraussetzungen ausgeht: „In
manchen Teilen tritt das philologische Interesse und eine wissenschaftlich unkúnst-
lerische Arbeitsmethode zu stark hervor, wie zum Beispiel in den Bánden, in denen
die Sagaerzáhler in FuBnoten wegen unrichtiger Angabe geographischer Entfernungen
Verweise erhalten" (S. 688). Zweifellos sind die Úbersetzungen der Thule-Bánde ver-
schiedenwertig und ganze Stúcke dieser philologischen GroBtat (die aber erst einmal
dié Grundlage fúr alles weitere schaffen muBte) harren noch ihrer letzten kúnstlerischen
Durchformung. Das Beispiel aber, das Gretor anzieht, erweist, daB er mit dem tieferen
Sinn der Sache nicht vertraut ist und dort philologischen Stuck sieht, wo in Wirk-
lichkeit das eigentúmliche Leben der Saga pulst: in ihrer Verbundenheit mit der
Landschaft und dem Verháltnis der Islánder zu ihrer Saga und zu ihrer Landschaft.
Gretor hat doch selbst in seiner Broschúre: „Islands Kultur und seine junge Malerei"
(Diederichs, 1928) diese Einheit von Mensch, Landschaft und Saga auf Island be-
wundernd geschildert (S. 6); da sogar so úbertrieben, wie es durchaus nicht der Wirk-
lichkeit entspricht, so daB man zweifelt, ob Gretor jemals mit der Saga im Rucksack
durch Island gereist ist. Die von Gretor verpönten FuBnoten sollen gewiB nicht den
Sagaerzáhler einen heruntersetzen; sie sollen den, der diese Werke nicht nur als
literarischer Feinschmecker beschnuppert, hineinversetzen in den lebendigen Um-
gang des Islánders mit seiner Saga und ihrer „Geographie". Zu den Bánden, die
von Gretor ihrer FuBnoten wegen geziehen werden, gehört ubrigens auch die ,Ge-
schichte vom weisen Njal', ein Meisterwerk kúnstlerischer Ubertragung von Andreas
Heusler.
Ebenso verstándnislos und oberfláchlich ist Gretors Hauptangriff, seine Kritik an
der „Deutschen Islandforschung 1930“, der als Veröffentlichung der Schleswig-Hol-
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