Jökull - 01.12.1970, Qupperneq 48
tumsformen der Flechten, was mir im Mývatn-
gebiet beim Lavastrom von 1729 auffiel.
Im Vorfeld des Sólheimajökull ist es mög-
lich, Anhaltspunkte fiir die Wachstumsge-
schwindigkeit von Rhizocarpon zu ermitteln,
weil der Riickzug des Gletschers seit 40 Jahren
genauer beobachtet wird (Eythorsson 1963).
Die orographisch linke, höher gelegene, klei-
nere Gletscherzunge, die durch clen eisiiber-
formten Riicken des Jökulhöfuð vom Haupt-
gletscher getrennt ist, reichte um 1930 bis in
den Bereich der Talmiindungsstufe. Auf deren
eisgeschliffenen Felsen miBt Rhizocarpon 2 cm.
Nicht allzu weit entfernt, am FuBe der Stufe,
befindet sich ein kurzer Moránenwall, auf dem
der Maximaldurchmesser von Rhizocarpon 2yí>
cm betrágt. Ob dieser Wall dem Gletscherstand
von 1930 entspricht, ist nicht sicher, aber
keinesfalls endete der Gletscher sehr weit weg
davon. In der Taleinbuchtung zwischen dem
Siidwestende des Jökulhöfuð, der erwáhnten
Talstufe und dem linken Trogtalrand befinden
sich zahlreiche Moránenwálle. Sie zeigen die
gröBte Reichweite der linken Gletscherzunge
an. Wenn man von den Rhizocarponwerten
auf Ufermoránenwállen aus den eingangs dar-
gelegten Griinden absieht, zeigen die áuBersten
Endmoránen einen Rhizocarpon-Maximaldurch-
messer von 5 cm.
In weiten, bis zu 1 km langen Bögen er-
strecken sich zwischen der Stirnseite des Jökul-
höfuð und dem linken Ufer der Jökulsá mehr-
fach gestaffelt die orographisch links gelegenen
Endmoránenwálle der Hauptzunge. Auch hier
miBt die Landkartenflechte auf dem áuBersten
Wall maximal 5 crn im Durchmesser. Dieser
Wert entspricht grob gerechnet (verglichen mit
dem Gletscherstand von 1930) einer Wachs-
tumszeit von etwa 80 bis 90 Jahren. Ein Teil
clieser álteren Moránenwálle ist durch den
GletscherabfluB der linken Zunge beseitigt
worden. Die weniger gut zugánglichen End-
moránenziige auf dem rechten Ufer der Jökulsá
konnten aus Zeitmangel nicht erfaBt werden.
Aus dem Flechtenbewuchs und der Annahme,
daB weiter talaus liegende Moránenwálle höchst-
wahrscheinlich fehlen, muB gefolgert werden,
daB der Sólheimajökull seinen gröBten histo-
rischen VorstoB in der zweiten Hálfte des 19.
Jhdt. (vielleicht um 1890) gehabt haben muB.
Bei diesem Höchststand der Vergletscherung
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diirften sich die beiden Zungen höchstens rand-
lich beriihrt haben und waren daher wohl
nicht zu einer einheitlichen Gletscherfront ver-
einigt.
Vergleichsweise sei auf das Flechtenwachstum
in einer ganz anderen Landschaft Islands hin-
gewiesen, und zwar auf den Bewuchs alters-
máBig bekannter Substratfláchen in Thing-
vellir. Die dort auf Grabsteinen beobachteten
Rhizocarpon-Durchmesser sind im Vergleich zu
jenen im Vorfeld des Sólheimajökull gemesse-
nen kleiner. Dazu folgende Beispiele:
Grabstein mit Sterbedaten: “D. 10. 8. 1913”
und “D. 30. 7. 1899”: Rhizocarpon-Durch-
messer bis zu 21/2 cm, dazu Umbilicarien und
Lecidea lapicida.
Grabstein der Guðrún Jónsdótdr, D. 1898:
Rhizocarpon-Durchmesser 2i/2 cm.
Grabstein mit Eisengitter, D. 1880: Rhizocar-
pon-Durchmesser 2i/> cm, Umbilicarien.
Grabstein mit Sterbedaten “D. 1896” und “D.
1878”: Rhizocarpon-Durchmesser 3 cm.
Die Háufigkeit von Rhizocarpon auf álteren
Moránen steht im auffallenden Gegensatz zum
seltenen Vorkommen auf dem Palagonit-Block-
werk im Súdosten des Ingólfsfjall, das auf
einen Bergsturz im Jahre 1896 zurúckgeht. Die
háufig poröse, leichter verwitternde Ober-
fláche des Palagonits bietet offensichtlich fúr
das Wachstum dieser Krustenflechten ungúnsti-
gere Voraussetzungen als die harten, geschlif-
fenen, selektiv angereicherten Geschiebe in den
Moránen. Auffallend sind dagegen auf dem
Bergsturzblockwerk Moospolster von Rhaco-
mitrium canescens und die strauchartige
Flechte Stereocaulon.
Im Vorfeld des Siðujökull heben sich zwei
úber eine lángere Strecke verlaufende End-
moránenwálle besonders deutlich ab, welche
die beiden gröBten erkennbaren historischen
GletschervorstöBe darstellen. Wáhrend úber
die anderen Ranclgebiete des Vatnajökull ver-
háltnismáBig viele Beobachtungsergebnisse vor-
liegen (es sei liier nur auf die zusammenfas-
sende Bearbeitung dieser Gletschervorfelder von
Todtmann 1960 verwiesen) und im Súden und
Osten schon seit lángerer Zeit regelmáBige
Gletschermessungen durchgefúhrt werden,
wurde úber den Súdwestrand nur fallweise be-